Im Palazzo sueßer Geheimnisse
nicht angerufen?“
Lucy schüttelte den Kopf. „Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Ich … werde ihm schreiben. Ich wünschte nur, ich hätte seinen Ring nie angenommen … Verflixt!“
„Was denn?“
„Pauls Ring. Er liegt noch im Hotelsafe.“
„Kein Problem. Wir holen ihn nach dem Mittagessen, du kannst ihn in meinen Safe legen.“ Michele erhob sich. „Bis dahin bleibt dir noch Zeit, den Brief zu schreiben.“ Seine Stimme wurde rauer. „Ich will, dass du frei bist und moralisch an keinen anderen Mann gebunden, bevor ich dich verführe.“
Nachdem der schwierige Brief einmal geschrieben und aufgegeben worden war, fühlte sich Lucy wie von einer Last befreit, als sie sich mit Michele in einer Trattoria selbst gemachte Pasta mit Gambas schmecken ließ.
Anschließend gingen sie gemeinsam zum Hotel, um den Ring zu holen, den Lucy sogleich sicher in ihrer Tasche verstaute. Schließlich legte Michele eine Hand unter ihren Ellbogen und führte sie zu einem Anleger, wo ein kleines Motorboot vertäut lag. Schnell half er ihr an Bord, und wenig später hatten sie das Trevi hinter sich gelassen.
Venedig schien wie immer festlich gestimmt. Eine frische Brise spielte mit der Wasseroberfläche, Tausende kleine Lichtfunken tanzten, und die bunten Markisen an den Balkonen flatterten fröhlich. Aus einem Fenster hörte Lucy einen Tenor „O sole mio“ singen, während von der Lagune eine Schiffssirene ertönte und auf einer Brücke jemand Akkordeon spielte.
Michele bemerkte ihre stille Begeisterung. „Du siehst so unternehmungslustig aus. Was willst du denn noch machen?“
Lucy seufzte. „Ich fürchte, ich muss zurück. Es wartet noch viel Arbeit auf mich.“
„Mir schwebte eher vor, den Nachmittag freizunehmen.“
Entschlossen widerstand Lucy der Versuchung, das Glück der Faulen zu genießen. „Ohne mich“, erklärte sie. „Schließlich bin ich wegen des Jobs hier.“
Micheles Augen funkelten. „Signor Candiano hätte sicher nichts dagegen.“
„Ich werde nicht von Signor Candiano bezahlt, sondern von Peter Sebastian .“
„Er hätte sicher auch nichts dagegen.“ Sein Tonfall ließ sie aufhorchen.
„Aber ich kann ihn nicht fragen …“ Sie stockte, als ihr ein wilder Verdacht kam. „Du sagtest, Peter Sebastian wäre in den Staaten.“
„Nein, du sagtest, so wie du es verstanden hättest, wäre er dort. Ich habe dich nicht korrigiert.“
Lucy schnappte nach Luft wie ein Schwimmer, der zu lange unter Wasser gewesen war. „Also ist Peter Sebastian dein Pseudonym?“
„Nicht ganz. Mein vollständiger Name lautet Michele Lorenzo Pietro Sebastiano Diomede.“
„Klingt gut“, meinte Lucy mit Spott in der Stimme.
„Bis es einem zu den Ohren herauskommt“, drohte Michele spielerisch. Als sie schwieg, zog er provozierend eine Braue hoch. Aber Lucy saß absolut ruhig, starrte nur – keinen klaren Gedanken fassen könnend – auf den Boden des Bootes. „Das war anscheinend ein Schock für dich“, bemerkte er.
Sie hob den Kopf und sah ihn an. „Irgendwie siehst du nicht aus wie ein berühmter Bildhauer.“
„So sehe ich mich auch nicht. Ich bin vor allem Geschäftsmann. Mir gehören Kunstgalerien in ganz Europa. Die Bildhauerei war immer eher ein Hobby.“
Wut und Bitterkeit erfüllten Lucy. „Warum hast du nicht gesagt, wer du wirklich bist? Was sollte dieses ganze Theater?“
„Ich bin nicht der Einzige, der hier Theater spielt“, wehrte Michele sich schroff. „Aber, um auf deine Frage zu antworten, nenn es Selbstschutz. Als ich letztens in England war, war ich so dumm, eine Frau ins Vertrauen zu ziehen. Sie verriet alles an die Presse, und ich hatte keine ruhige Minute mehr, bis ich das Land verließ. Hier, in meiner Heimat, kann ich mir einen solchen Fehler nicht leisten.“
„Ich hätte niemandem davon erzählt, das kannst du mir glauben.“
„Ich weiß. Deshalb habe ich es dir ja auch jetzt gesagt.“ Sicher lenkte er das kleine Boot durch den vielbefahrenen Kanal, warf Lucy einen nachdenklichen Blick zu und sagte plötzlich „Komm schon, frag mich.“
„Was soll ich dich fragen?“
„Zum Beispiel, ob ich etwas dagegen hätte, wenn du den Nachmittag freinimmst.“
Lucy schüttelte den Kopf. „Nein, ich will doch noch arbeiten.“ Und in Ruhe nachdenken, ergänzte sie im Stillen.
„Na gut …“, stimmte Michele zu, „… dann schlage ich vor, wir sehen uns im Palazzo Ca’ del Serpente die Ausstellungsräume an, einverstanden?“
„Okay“, willigte
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