Im Palazzo sueßer Geheimnisse
in Ordnung?“, fragte er, und als sie nickte, berührte er sie und streichelte ihre Stirn. „Schlaf weiter.“
Vielleicht hätte er sie wieder geküsst. Sie wollte, dass er es tat. Oh, wie sehr wollte sie, dass er es tat. Aber er richtete sich auf, wobei er seine Hand von ihrer Wange gleiten ließ. Intuitiv hob sie den Kopf, berührte mit ihren Lippen noch seine Fingerspitzen und hörte ihn überrascht einatmen.
Doch schließlich sagte er nur leise: „ Buena notte , Lucy“, und ging.
Ihre Armbanduhr zeigte kurz vor zwölf, als sie erfrischt und heißhungrig aufwachte. Lucy betätigte die Klingel, und binnen Minuten war Rosa da.
Die Haushälterin öffnete die Fensterläden und ließ die Mittagssonne herein. Danach half sie Lucy ins Bad. Aber selbst auf Rosas kräftigen Arm gestützt, war das Humpeln schwierig und schmerzvoll.
„Ich hab eine Idee“, rief Rosa plötzlich aus. „ Signorina , dürfte ich Sie einen Moment allein lassen?“
Lucy nickte. Auf einem Bein stehend wie ein Storch und sich an den Badarmaturen festhaltend, putzte sie sich die Zähne und wusch sich, so gut sie konnte. Sie hätte gern geduscht, aber musste zugeben, dass sie im Augenblick nicht gelenkig genug dafür war.
Gerade hatte sie ihre Haare gekämmt, als Rosa mit einer Krücke aus Leichtmetall wiederkam. „ Signorina , ich dachte, vielleicht …“
„Na wunderbar!“, freute sich Lucy. „Wo haben Sie die denn her?“
„Das war meine, Signorina . Letztes Jahr hatte ich mir einen Knöchel gebrochen.“
Mit Krücke war der Rückweg für Lucy vergleichsweise einfach, und sie lag bald wieder im Bett.
Rosa brachte ein Tablett mit Pizza, Salat und frischem Obst und zauberte das vermisste Medaillon aus ihrer Tasche. „Das hätte ich fast vergessen … es wurde gefunden. Im Büro, wie Sie sagten … Der Verschluss scheint kaputt zu sein, aber das hatte ich mir schon gedacht.“
„Danke, Rosa. Es hätte mir sehr leidgetan, wenn es weg gewesen wäre.“
Sich fit und munter fühlend, jetzt da der erste Schock vorbei war und sie die Gelenke besser bewegen konnte, wäre Lucy nach dem Mittagessen aufgestanden – wenn nicht Michele, alarmiert von Rosa, ein Machtwort gesprochen hätte.
„Das wirst du schön bleiben lassen!“, belehrte er sie gefährlich ruhig.
Da war etwas Dunkles in seinen Augen. Ein unterschwelliger Ärger. Ein Ärger, der in keinem Verhältnis zu stehen schien zu ihrem Wunsch, das Bett zu verlassen. Es sei denn, er hatte einen anderen Grund …
„Du bleibst, wo du bist.“
„Aber mir fehlt nichts“, protestierte Lucy. „Ich langweile mich, wenn ich hier herumliege. Kann ich nicht arbeiten, bitte?“, schmeichelte sie und hatte das Gefühl, seine Miene würde weicher, aber er blieb unnachgiebig.
„Du bleibst noch mindestens vierundzwanzig Stunden in diesem Bett, und wenn ich dich daran festbinde …“, er beugte sich zu ihr hinunter und raunte ihr ins Ohr, „… oder mich zu dir geselle. Ich weiß, dass ich dir einen Anreiz gegeben habe, damit es dir schneller besser geht, aber ich hätte nicht erwartet, dass du so ungeduldig bist.“
Die Wangen hektisch gerötet, vermied es Lucy, ihm in die Augen zu sehen. Kurz darauf bekam sie einen Fernseher auf ihr Zimmer, eine Auswahl Bücher und Illustrierte wurde in Reichweite gelegt, aber sie blieb – verärgert über ihre erzwungene Untätigkeit – eine unruhige Patientin.
Nach dem Abendessen kam Didi Lombard, um nach ihr zu sehen. Die Amerikanerin war durchaus freundlich, dennoch stellte sich im Verlauf des Gesprächs schnell heraus, dass die beiden Frauen wenig gemeinsam hatten.
Sogar über die Welt der Kunst waren sie unterschiedlicher Ansicht.
Für Lucy stellte ein Kunstwerk etwas wirklich Schönes dar, etwas, das mit Geschick und Fleiß hergestellt wurde, das die Sinne ansprach und Freude, Trauer oder mehr auslöste.
In Didis Augen war ein Werk nur dann gut, wenn es sich teuer verkaufen ließ. Für sie zählte einzig das Geld, und sie nahm sich keine Zeit für etwas – auch wenn es wunderschön war –, das keinen kommerziellen Erfolg brachte.
„Das zahlt sich aus“, sagte sie bestimmt. „Meine Galerie in New York hat sich als eine führende Adresse in der Kunstszene etabliert. Natürlich war es ein hartes Stück Arbeit. Das ist die erste Auszeit, die ich mir seit drei Jahren nehme.“
„Wie lang werden Sie in Venedig bleiben?“, fragte Lucy so beiläufig wie möglich.
„Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Aber hoffentlich nicht
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