Im Palazzo sueßer Geheimnisse
wusste das.
„Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?“, hakte er nach, als sie weiter nichts sagte. „Sollte ich besser fragen, wie oft warst du verlobt ?“
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. „Das hast du mich schon bei unserer ersten Begegnung gefragt.“
„Ich frage dich wieder. Wie oft?“
Eine seidene Schlinge schien sich um ihren Hals zu ziehen. „Nur einmal“, presste sie hervor.
„Das hat aber gedauert, bis du mir das erzählt hast.“
Lucy starrte ihn wie versteinert an.
„Vielleicht habe ich von Anfang an falsch gefragt.“ Sein Blick war kalt. „Ich formuliere es um: Wie viele Ringe hast du … angenommen?“
Lucy wusste nur zu gut, dass sie feststeckte, das, was sie gesagt hatte, nicht mehr zurücknehmen konnte, und trat die Flucht nach vorn an: „Es ist egal, wie du die Frage formulierst, die Antwort bleibt immer dieselbe.“ Plötzlich glänzten verräterische Tränen in ihren Augen. „Du bekommst keine andere mehr. Ich bin genug verhört worden.“ Sie schwang die Beine auf den Boden.
Michele war in dem Moment bei ihr, als sie versuchte aufzustehen, und packte sie an den Oberarmen.
„Lass mich!“ Lucy versuchte, seine Hände wegzustoßen. „Ich bleibe nicht hier.“
„Es dürfte dir schwerfallen ohne meine Hilfe.“
„Eher probiere ich es auf allen vieren, als mir von dir helfen zu lassen!“
Er lachte aufreizend. „Hochdramatisch, aber wenig effektiv …“
Sein nächster Schritt kam schnell und unerwartet, und ehe Lucy wusste, wie ihr geschah, lag sie der Länge nach auf der gepolsterten Sitzfläche, und Michele saß neben ihr und hielt sie fest.
Außer sich über sein so anmaßendes Verhalten, sich selbst bedauernd und schuldig fühlend, weil sie es nicht geschafft hatte, ihm die Wahrheit zu sagen, knirschte Lucy grimmig mit den Zähnen, blieb still liegen und versuchte, nicht zu blinzeln, als die ärgerlichen Tränen kamen.
Die Sonne fiel schräg durch den Baldachin der Weinreben direkt in ihre Augen, zwang sie, sie zu schließen, und bewirkte das, was sie befürchtet hatte.
Micheles Lippen berührten zuerst ihre eine Wange, dann die andere, seine Zungenspitze erfasste die beiden einzelnen Tränen.
Lucy stieß einen leisen, protestierenden Laut aus, der zu spät kam. Micheles Mund lag schon auf ihrem.
Zwar war es kein flüchtiger Kuss, aber er war kurz. Nach ein, zwei Momenten, hob Michele den Kopf und sagte teilnahmslos: „Ich muss in zehn Minuten zu einem Termin. Möchtest du, dass ich dich erst in dein Zimmer zurückbringe?“
Weil ihr die Stimme versagte, schüttelte Lucy den Kopf und sah ihn gehen, während sie sich aufrichtete. Obwohl die Luft warm war, fröstelte sie. Ringe … Dieses Wort schien ihr wie ein Brandmal auf die Stirn geschrieben. Warum wollte er ständig etwas über ihre Freunde und Verlobungen wissen? So wie er redete, schien er zu denken, sie sammle Verlobte nebst den dazugehörenden Ringen.
Lucy seufzte bedrückt. Zeitweise und kurz schienen sie sich sympathisch, dann hatte sich – ohne erkennbaren Grund – wohl seine Laune geändert, die Wärme, die Nähe verschwanden, und er war demonstrativ gemein und verletzend geworden …
Sie hörte Schritte. Rosa kam mit einem Tablett, auf dem eisgekühlter Zitronentee, eine Schale Obst und ein Teller mit Mandelkeksen standen. Ein paar Illustrierte trug sie eingeklemmt unter dem Arm.
Die Haushälterin stellte das Tablett auf einen runden weißen Tisch aus Metall mit filigranen Verzierungen und gab Lucy die Zeitschriften. „Signor Diomede bat mich, Ihnen das zu bringen. Außerdem soll ich Sie fragen, ob Sie noch einen Wunsch vor dem Abendessen haben.“
Also war er nicht einfach so gegangen. Zaghaft stahl sich Wärme zurück.
„Nein, grazie … Oder, warten Sie, könnten Sie mir die Krücke bringen, die ich in meinem Zimmer gelassen habe?“
„Sicher, Signorina .“
Lucy nippte an dem erfrischenden Tee, als Rosa in Begleitung der Katzen zurückkam und die Krücke in Reichweite stellte.
In dem sicheren Wissen, nicht mehr ganz so hilflos zu sein, entspannte sich Lucy, nahm sich eine Illustrierte und blätterte darin, während sich Cas und Poll zu ihr auf die Gartenschaukel gesellten.
Abends beim Essen herrschte eine seltsame Stimmung. Lucy, Didi und Michele saßen gemeinsam an einem rechteckigen Tisch im Speisezimmer.
Michele schien mit den Gedanken woanders und merkwürdig angespannt, sagte wenig, überließ die Unterhaltung meist Didi und Lucy.
Nur um etwas zu sagen, damit das
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