Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Palazzo sueßer Geheimnisse

Im Palazzo sueßer Geheimnisse

Titel: Im Palazzo sueßer Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Wilkinson
Vom Netzwerk:
Gespräch nicht einschlief, fragte Lucy: „Haben Sie immer in New York gelebt, Mrs. Lombard?
    „Ja. Meine Großeltern wanderten Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts aus Italien ein.“ Mit einem gewissen Stolz fügte Didi hinzu: „Meine Großmutter war eine Cousine der Diomedes.“
    Michele hatte verwandtschaftliche Beziehungen nicht erwähnt. Immer nur von geschäftlichen gesprochen.
    „Besuchen Sie Italien oft, Miss Lombard?“, fragte Lucy, um herauszubekommen, wie eng die Beziehungen waren.
    „Nicht so oft, wie ich gerne möchte. Mein Mann war ein geborener New Yorker. Ich konnte ihn nie dazu bringen, Big Apple – wie die New Yorker ihre Stadt nennen – auch nur für die Ferien zu verlassen. Ich muss gestehen, ich vermisse es selbst, obwohl ich Italien als meine zweite Heimat betrachte …“
    Nach dem Essen entschuldigte sich Didi mit Kopfschmerzen und hinterließ eine unangenehme Stille. Lucy trank noch ihren Espresso und stand auf. „Ich denke, ich gehe ins Bett.“
    „Keine Kopfschmerzen, will ich hoffen?“, mokierte sich Michele.
    „Nein, ich … habe letzte Nacht nicht gut geschlafen.“
    „Wie ich. Frust, finde ich, ist ein störender Bettgenosse. Findest du nicht auch?“
    Seine Frage völlig ignorierend griff Lucy nach der Krücke. Ehe sie einen Schritt machen konnte, war Michele an ihrer Seite.
    „Ich brauche keine Hilfe“, sagte sie hastig. „Ich schaffe es ganz gut allein.“
    „Geradeaus zu gehen ist eine Sache, Treppen steigen eine andere.“
    Vorhin vor dem Abendessen hatte Lucy – weil sie sich oben in ihrem Zimmer umziehen wollte – schon einmal vor der Schwierigkeit gestanden. Gerade hatte sie diese in Angriff nehmen wollen, als Michele erschien und sie – trotz ihrer Einwände – nach oben getragen hatte. Eine halbe Stunde später war er wiedergekommen und hatte sie nach unten getragen.
    Auch jetzt duldete er keinen Widerspruch, bückte sich und hob sie auf seine Arme. „Du kannst die Krücke nehmen, wenn du versprichst, damit keine Treppen zu steigen.“
    „Ich werde einen Stoßseufzer ausstoßen, wenn ich wieder normal laufen kann“, murmelte Lucy.
    „Und ich erst“, sagte er sanft. „Diese ganze Nähe bringt meine Libido total durcheinander“, ergänzte er und wirkte dabei so hochkonzentriert und energisch, dass ein ganzes Glockenspiel an Alarmglocken in ihr schrillte.
    Blitzartig durchfuhr Lucy ein brennender Gedanke: Oben vor ihrem Schlafzimmer würde heute Abend keine Rosa wachen und sie vor sich selbst beschützen.
    Starr vor Schreck versuchte sie, auf Zeit zu spielen. „Ich würde mir gern noch deine Ahnengalerie ansehen.“
    „Morgen“, versprach er, ohne aus dem Tritt zu kommen.
    „Heute Abend“, beharrte sie.
    Michele sah sie an. „Angst?“
    „Vorbei.“
    „Bestens.“ Er machte auf dem Absatz kehrt.
    Lucy hatte nicht erwartet, dass er so leicht nachgeben würde, und fühlte sich fast schwindlig vor Erleichterung. Zumindest redete sie sich das beruhigend ein.
    „Hier kann ich wieder laufen“, sagte sie Michele, sowie sie die Galerie erreichten.
    Wortlos stellte er sie auf die Füße und stützte sie, während sie die Krücke unter den Arm klemmte.
    Ein Porträt nach dem anderen sahen sie sich an, und Michele erklärte, wer jeweils darauf zu sehen war.
    „Der hier ist der berühmteste von allen“, erklärte er, als sie das Ende des Korridors erreicht hatten. Er deutete auf zwei verschiedene Konterfeis ein und desselben Mannes. Auf einem Gemälde trug er ein Festgewand und die traditionelle, mit Edelsteinen besetzte Dogenkappe, die Zogia . Auf dem anderen sah man ihn ohne Kopfbedeckung, aber dafür mit einem wallenden schwarzen Umhang, den eine goldene Schließe mit einem Bildmotiv aus Emaille über der Brust zusammenhielt.
    Der Mann hatte ein markant stolzes Gesicht, einen strengen, dennoch sinnlichen Mund, leuchtend silbergrüne Augen und erinnerte Lucy an Michel. Er hatte sogar den gleichen leicht ironischen Blick und ebenso wohlgeformte Hände. „Der Löwe von Venedig“, hauchte sie. „Er sieht aus wie du. Oder sollte ich sagen, du siehst aus wie er?“
    Lucy war ganz fasziniert und hätte ewig stehen und staunen können, hätte sie nicht unbewusst ihren Knöchel belastet und dieser nicht schmerzend protestiert.
    Michele sah Lucy zusammenzucken, hob sie auf die Arme und schob ihre Einwände beiseite.
    Gerade lief er mit ihr los, als sich ein vager Gedanke, eine kribbelnde Erkenntnis in ihrem Unterbewusstsein formte. Da war etwas …

Weitere Kostenlose Bücher