Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)
möchte gerne wissen: „Was ist denn so
lustig?“ „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“, halte ich ihr ein
Buch mit selbigem Titel entgegen. Verständnislos starrt Julia mich an. „Das ist
doch gut, wenn morgens um sieben die Welt in Ordnung ist. Da gibt es nichts zu
lachen.“ In der Tat, da gibt es nichts zu lachen. Denn morgens um sieben ist
die Welt eindeutig nicht in Ordnung. Eine dicke, fette Lüge ist es zu
behaupten, dass die Welt morgens um sieben in Ordnung sein könnte! Ich bin ein
Langschläfer und ein Morgenmuffel! Allein die Vorstellung, die Welt könnte früh
am Morgen in Ordnung sein, erscheint mir so irrsinnig, so aberwitzig, dass ich
einfach nur lachen kann. Die Welt ist sowieso schon so hinüber, dass man überhaupt
nicht und niemals behaupten kann, sie sei in Ordnung. Aber das steht auf einem
anderen Blatt. Bleiben wir bei morgens um sieben. Als Mutter zweier Kinder
(neun und zwölf Jahre alt), von denen eines einen Schulbus um 6.56 Uhr nehmen
muss, stehe ich vor 6.00 Uhr auf. Mein Mann schläft noch. Meine Kinder auch.
Ist das in Ordnung? Ich stelle mir die Frage lieber nicht. Duschen ist für mich
wichtig, denn ohne Dusche werde ich gar nicht wach – mit Dusche wenigsten so
ein bisschen. Mein Blutdruck braucht eben etwas länger, um in Schwung zu
kommen. Dann irgendetwas anziehen und auf dem Weg nach unten möglichst nicht
die Treppe runterfallen. Hatte ich gehofft, dass gestern Abend jeder sein Glas
in die Spülmaschine gestellt hat? Hatte ich gehofft, dass keine Joghurtbecher
auf dem Tisch stehen? Hatte ich gehofft, dass die leere Chipstüte im Mülleimer
liegt? Welch abwegige Gedanken! Wäre mein Humor schon erwacht, könnte ich vielleicht
lächelnd denken: „Hab ich’s doch gewusst …“ Stillschweigend räume ich auf, bin
mir sicher, dass ich die Kinder dringend ermahnen sollte, zum einen weniger
Chips zu essen und zum anderen ihre Sachen selber aufzuräumen, weiß aber genau,
dass ich morgen früh resignierend wieder aufräumen werde. Ich schalte das Radio
ein und beginne, mir einen Kaffee zu kochen. Dann den Frühstückstisch decken,
Brot für die Schulpausen schmieren. Auch mein Mann freut sich über ein
Pausenbrot. Wo bleibt Leo denn nur? Ganz, ganz langsam schleppe ich mich die
Treppe hinauf zum Zimmer meines Sohnes. Schneller kann ich morgens einfach
nicht. Und außerdem bin ich noch gar nicht richtig wach. Genau genommen bin ich
beim Schlafwandeln. Leo liegt noch im Bett und schläft. Auf der einen Seite bin
ich sauer, dass ich so früh aufgestanden bin während er einfach liegen bleibt.
Auf der anderen Seite lasse ich mich nur zu gerne auf die Bettkante sinken,
schmuse mit meinem Kind und erhole mich von der Anstrengung, die Treppe
hochgestiegen zu sein. Aber Trödeln ist nicht drin, Leos Schulbus wartet nicht.
Das Kind springt aus dem Bett und bringt es fertig, nach fünf Minuten fröhlich
pfeifend zum Frühstück zu erscheinen. Umgehend werde ich in eine Diskussion
über die Vor- und Nachteile einer Volksabstimmung verwickelt. Da wir in
Deutschland die Möglichkeit einer Volksabstimmung nicht haben, fällt es mir
extrem schwer einzusehen, weshalb dieses Thema zu früher Morgenstunde so
wichtig ist, dass ich mein Gehirn in den nächst höheren Gang schalten muss. Der
Junge quatscht in fünf Minuten einen Hund kaputt! Wie kann er nur jetzt schon
seinen Mund derartig schnell bewegen? Ich halte ihm zu Gute, dass er nichts
dafür kann, dass ich ein Morgenmuffel bin. Er kann auch nichts dafür, dass er
kein Morgenmuffel ist. Langsam komme auch ich auf Touren. Ich plädiere für
einen Volksentscheid, dass Schulen generell erst um 10.00 Uhr mit dem Unterricht
beginnen sollen! Gerade da ist es halb sieben, Zeit meine Tochter Julia zu
wecken, die im Gegensatz zu Leo erst um 7.30 Uhr den Schulweg antreten muss.
Ich steige wieder die Treppe hinauf – schon etwas zügiger. Oben ist wieder der
Flüsterton angesagt. Schummerbeleuchtung in Julias Zimmer. Haben Sie es schon
erraten? Julia ist ebenfalls ein Morgenmuffel. Ganz meine Tochter, ganz die
Mutter. Ich gehe wieder zurück zu meinem Sohn, der inzwischen das Radio lauter
gestellt hat, weil gerade ein tolles Lied läuft. Er tanzt durch Küche und
Esszimmer. Nach einer gefühlten Ewigkeit tapsen zwei nackte Füßchen auf der
Treppe. Lars, Julias Kuscheltier, riskiert einen vorsichtigen Blick über das
Treppengeländer. Jetzt beginnt der allmorgendliche Balanceakt. Nicht für Lars
auf dem Treppengeländer. Nicht für
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