Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)
ist, ist zu viel. Heute war ich froh, als er
wieder zu sich nach Hause ging. Natürlich freute ich mich für ihn. Er würde
morgen in Urlaub fahren. Nein, nicht fahren, er würde fliegen. Er war noch nie
geflogen, irgendwie kam es noch nicht dazu. Er freute sich wahnsinnig und
wollte die Reise perfekt vorbereiten. Alles sollte stimmen. Nichts durfte
vergessen werden. Er setzte nicht nur sich, sondern auch sein gesamtes Umfeld
mächtig unter Druck. Mit einer gewissen Erleichterung dachte ich daran, dass
sein Flugzeug morgen früh um 9.10 Uhr Richtung Mallorca abheben würde und dann
wieder etwas mehr Ruhe in unsere Familie einkehren würde. Plötzlich klingelte
mein Telefon: "Hör mal, ich hab ja ganz vergessen“, klang meines Bruders
Stimme aufgeregt in meinem Ohr, "ich fliege ja morgen." "Ja ich
weiß." Ich versuchte ruhig zu bleiben. "Ich muss zum Flughafen, und
ich hab vergessen, dass ich mir gedacht habe, dass du mich hinbringen
könntest?" "Du hast vergessen, dass du gedacht hast? Du meinst wohl
eher, dass du vergessen hast, mich zu fragen." "Ja, ja, du weißt
schon, was ich meine ... Holst du mich bitte um 7.00 Uhr ab, dann kannst du
mich praktisch auf dem Weg ins Büro vorher am Flughafen absetzen. Kein großer
Umweg für dich. Du kannst auch mein Auto geliehen haben." Es wäre für mich
selbstverständlich gewesen, meinen Bruder zum Flughafen zu bringen, aber die
Sache mit dem Auto war ein besonderes Zückerchen – er hatte ein nagelneues
Auto, eine besondere Ehre für mich, dass ich es ausleihen durfte! Am nächsten
Morgen bin ich pünktlich bei meinem Bruder. Völlig außer sich erklärt er mir,
dass er sein Flugticket nicht finden kann. Ich versuche ihn zu beruhigen, gehe
aus spontaner Eingebung zu seinem Schreibtisch und sehe auf Anhieb, dass unter
der Zeitung von heute eine Ecke des Tickets hervorlugt. Ich nehme es in die
Hand, halte es hoch und frage vorsichtshalber nach, ob er seinen Pass
eingesteckt hat. Er kommt ins Stottern und erwidert: "Ich glaube schon,
mal sehen ..." Hecktisch durchwühlt er seine Jackentaschen. "Ja, hier
ist der Pass. Gib mir das Ticket, ich stecke es dazu. Ich weiß nicht mehr, wo
mir der Kopf steht. Was muss ich denn noch mitnehmen?" Ich hole tief Luft,
denke daran, dass er seit zwei Wochen dabei ist, seine Sachen zu packen und
zwinge mich, die Ruhe selbst zu sein. "Du wirst sicherlich alles
eingesteckt haben", äußere ich voller Vertrauen und greife den
Autoschlüssel, bevor er anfangen kann ihn zu suchen. "Wir sollten jetzt
fahren." Entschlossen nehme ich seinen Koffer während er beinahe das
Handgepäck hätte stehen lassen. Der Weg zum Flughafen ist kurz, trotzdem höre
ich mir eine schier endlos lange Geschichte über alles das an, was auf der
Reise schiefgehen könnte. Angefangen bei Streik des Flughafenpersonals über
verloren gegangene Gepäckstücke, Unwetter, unangenehme Sitznachbarn bis hin zu
Flugzeugabstürzen ist alles vertreten. Ich versuche, Gelassenheit zu
verströmen. Am Flughafen angekommen, übergibt mir mein Bruder seinen
Autoschlüssel, nimmt sein Gepäck, verabschiedet sich von mir und stellt sich winkend
in die Warteschlange beim Check-In. Ab sofort hat er Urlaub und offensichtlich
hat er die Ruhe wieder gefunden!
'Gott sei
Dank, das wäre geschafft!', denke ich bei mir und mache mich auf den Rückweg
zum Auto. Ein schönes Auto. Es hat noch den typischen "neues Auto
Geruch". Mit ehrlicher Freude über die Leihgabe starte ich den Motor, um
ins Büro zu fahren. Aber was ist das? Der Rückwärtsgang scheint zu klemmen. Ich
trete auf die Kupplung, bewege den Schalthebel aber nein, ich bekomme den Gang
nicht eingelegt. Nochmal den Motor aus, neu starten, Rückwärtsgang? Nein! Wirklich
nicht? Rückwärtsgang? Nein, wirklich nicht! Mir bricht der Schweiß aus. Alle
Gänge durchschalten: Erster Gang, zweiter Gang, dritter Gang, vierter Gang,
fünfter Gang, und dann der Rückwärtsgang. Wieder nicht. Jetzt ist die Hektik
bei mir angekommen. Leider sitzt mein Bruder nicht neben mir, um mich zu
beruhigen. Lächerlich. Ich sehe mir den Schalthebel ganz genau an. Ich ziehe
den Schalthebel ganz nach links und versuche, ihn hoch zu schieben. Irgendwas
blockiert. Hilflos blicke ich um mich. Kann mir denn niemand helfen? Hinter mir
zwei Fahrspuren, die eine stark befahren, auf der anderen kommt ab und zu ein
Auto vorbei auf der Suche nach einem freien Parkplatz. Soll ich einfach blinken
in der Hoffnung, dass einer stehen bleibt, um in meinen Parkplatz
Weitere Kostenlose Bücher