Im Papierschiff bis nach Irland (German Edition)
einzubiegen?
Aber es bleibt keiner stehen. Niemand, den ich um Hilfe bitten könnte. So ein
Mist! Ich werde zu spät ins Büro kommen. Mein Blutdruck steigt weiter. Das kann
doch nicht sein, dass ich das mit dem Rückwärtsgang nicht hinkriege! Ich atme
tief durch und versuche es erneut. Ich raufe mir die Haare. Ich steige aus,
gehe ums Auto herum. Was ich mir davon verspreche, weiß ich nicht so genau. Ich
kann den Wagen nicht rückwärts aus der Parklücke schieben, weil das Auto zwangsläufig
auf der stark befahrenen Spur ankäme, bevor ich dazu käme, das Lenkrad
einzuschlagen, um auf der ersten Spur zu bleiben. Wieder einsteigen. Motor
starten. Oder halt, vielleicht kann man den Rückwärtsgang nur einlegen, wenn
der Motor nicht an ist? Was für eine schwachsinnige Idee! Motor starten, Rü ...
wieder nichts. Wieder raus aus dem Auto. Der Bordsteinrand vor dem Auto ist
sehr hoch. Außerdem steht auf der anderen Seite ebenfalls ein Auto. Nein, ich
kann unmöglich vorwärts aus der Lücke fahren. Ein weiterer Versuch, ein
weiterer Misserfolg. Längst sind die 10 Minuten für Kurzparker abgelaufen. Ich
nehme den Parkschein, gehe zum Automaten und hoffe, dass ich jemanden treffe,
der mir sagen kann, wie der Rückwärtsgang funktioniert. Aber weit und breit
kommt niemand. Nicht auszudenken, wenn die Gangschaltung kaputt sein sollte!
Mein Bruder leiht mir sein neues Auto und dann passiert es! Ich bin mit den
Nerven am Ende, kehre zurück zum Auto und untersuche den Schaltknüppel nochmals
ganz genau. Von oben bis unten und von unten bis zu dem komischen kleinen Ring,
den ich jetzt wie zufällig nach oben schiebe! Da plötzlich lässt sich der Hebel
nach links oben bewegen! Aber der Motor ist noch nicht an. Vorsichtig, ganz vorsichtig
drehe ich den Schlüssel – als ob der Gang wieder rausginge, wenn der Motor
startet ... Ganz vorsichtig lasse ich die Kupplung kommen. Tatsächlich, das
Auto rollt rückwärts, ich habe es geschafft. Kaum zu glauben! Wenn mein Bruder
das wüsste ... Aber der ist schon fast in Mallorca!
Aufräumen
Heute ist
der 7. Mai! Und wie kalt ist es wieder? Die Temperatur wäre vor zwei oder drei
Monaten durchaus angemessen gewesen, aber heute? Ich muss in die Stadt fahren
und greife wie selbstverständlich zu meinem Mantel. Es bleibt mir gar nichts
anderes übrig, wenn ich unterwegs nicht erfrieren will. Schön, dass ich den
Mantel einfach so greifen kann. Schön, dass ich nicht erst in den Keller zum
Schrank mit den Wintersachen gehen muss. Schön, dass in dem Schrank mit den
Wintersachen noch gar keine Wintersachen drin sind. Höchstens noch ein paar
Sommersachen – die aber vielleicht gar nicht mehr passen. Die Kinder sind
eventuell rausgewachsen, mein Mann und ich mögen auch rausgewachsen sein, nur
irgendwie anders. Schön, dass ich mir noch nicht die Arbeit gemacht habe, die
Garderobe und den Dielenschrank aufzuräumen. Es hat sich wirklich gelohnt, dass
ich mein Gehirn angestrengt und mir immer wieder neue Ausreden zurechtgelegt
habe, mit denen ich mich vor mir rechtfertigen konnte, weshalb es an einem
bestimmten Tag leider gerade völlig ausgeschlossen war aufzuräumen! Manch
einer wird sich jetzt verständnislos fragen, wo denn da das Problem versteckt
sein mag. Sie auch? Dann sind Sie bestimmt so ein Mensch wie meine Cousine, die
– wenn sie nach gelbem Krepppapier zum Basteln gefragt wird – zielstrebig in
den Keller geht, im zweiten Regal von links die dritte Kiste aus dem oberen
Fach nimmt und strahlend „bitteschön“ sagt. In Momenten wie diesen frage ich
mich, ob ich vor Neid erblassen soll oder ob die Mühe, die es macht, eine
solche Ordnung zu halten den Nutzen des nicht Suchen-müssens tatsächlich
rechtfertigt. Ich stärke mir mit dem Spruch „wer Ordnung hält, ist nur zu faul
zum Suchen“ den Rücken, spreche meiner Cousine ein Lob aus: „Umwerfend wie
schnell du das gefunden hast!“, frage mich allerdings immer noch, ob es jemals
möglich sein könnte, dass ich eventuell auch …? Sind Sie auch so einer wie
meine Cousine? So ein schrecklicher „Faulpelz“, der lieber den Reim „Halte
Ordnung, liebe sie, sie erspart dir Zeit und Müh!“, spricht? (Dabei reimt sich
der Reim gar nicht richtig!) Haben Sie noch niemals ein Paket Puddingpulver aus
dem Küchenschrank genommen, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum schon seit drei
Jahren überschritten ist? Schön für Sie! Meinen Glückwunsch! Machen Sie weiter
so! Am besten wird es sein, Sie legen jetzt sofort meine
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