Im Paradies deiner Kuesse
eine menschliche Siedlung erspäht, und er wollte wissen, worum es sich bei den sonderbaren steinernen Gebilden handelte.
Er hatte sich nicht geirrt. Bald standen sie vor den Ruinen einer alten Festung. Wahrscheinlich war diese vor einigen Hundert Jahren als Verteidigung gegen Piraten von den Spaniern erbaut worden. Die Freibeuter hatten es auf die Schiffsladungen mit Gold aus der Neuen Welt, aus Nord- und vor allem Südamerika abgesehen. Heute war nur noch eine einzige, zwei Meter hohe L-förmige Mauer erhalten. Der Rest des Bauwerks schien irgendwann unter dem Druck der tropischen Kletterpflanzen zusammengefallen zu sein.
Dann hielt Finn einen längeren Vortrag über die bewegte Geschichte dieser Inselkette, obwohl er genau wusste, dass Simon es ohnehin herausschneiden würde. Lange Reden langweilten das Publikum. Doch als die Sonne glutrot zu sinken begann, blieb Finn nichts anderes übrig, als zur Rückkehr ins Lager aufzurufen. Dort angekommen, hielt er sich ständig in der Nähe des Kameramanns auf, bis dieser schließlich mit dem Rest des Teams im weißen Schnellboot in Richtung Festland saß.
Ich bin nicht feige, sagte er sich. Nur vernünftig. Schließlich kannte er sich genau. Seinen Instinkten legte er besser einige Hindernisse in den Weg! Auch wenn sein Lebensmotto „Stürz dich kopfüber hinein, fragen kannst du auch später noch“ lautete – für Liebesbeziehungen schien diese Philosophie ungeeignet. Dabei musste man es langsam und vorsichtig angehen lassen.
Allmählich wurde es dunkel. Und bis das Filmteam am nächsten Morgen zurückkehrte, würde es noch viele Stunden dauern. Angespannt stocherte er mit einem dicken Stock im Feuer herum und überlegte fieberhaft, wie er sich am besten verhalten sollte. Schließlich hatte er eine Idee.
„Wie wäre es mit einem Spaziergang?“, fragte er, ohne Allegra anzusehen. Stattdessen blickte er in die rote Glut des Feuers und beobachtete, wie die Funken stoben.
„Ein Spaziergang?“
„Hm.“
„Aber es wird schon dunkel“, erwiderte sie verwundert.
Finn wusste genau, wie sie jetzt aussah: Wie immer, wenn sie sich einer Sache unsicher war, zog sie die Augenbrauen zusammen.
„Ich habe einen Plan“, informierte er sie und erklärte ihr, wie man ganz einfach aus einem Stock und etwas trockenem Gras eine Fackel basteln konnte. Nach seiner Nachmittagslektion übers Seileflechten lag davon ja noch genug herum.
Nachdem er zwei Fackeln hergestellt und entzündet hatte, machten sie sich auf den Weg zurück zur Landzunge. Noch nie zuvor war Finn so dankbar gewesen, einen schweigsamen Stargast in der Sendung zu haben.
Als sie ihr Ziel erreichten, sagte Allegra leise: „Ich muss dir etwas gestehen. Ich weiß, ich hätte es dir schon früher erzählen sollen, aber London schien so unendlich weit weg – sowohl räumlich als auch zeitlich. Jetzt wird mir allerdings klar, dass ich in ein paar Tagen schon wieder nach Hause fliege …“
„Ja.“ Gut so. Antworte höflich, aber nicht zu interessiert.
„Und da …“ Sie schien nach Worten zu ringen.
Finn sah sie nicht an, sondern betrachtete die Spuren, die ihre kleinen Füße im Sand hinterließen.
„Ich möchte dich vorwarnen. Die Tatsache, dass ich als Gaststar in deiner Sendung bin, könnte einen ziemlichen Skandal auslösen. Das heißt, für dich nicht unbedingt. Aber definitiv für mich.“
„Wieso denn das?“ Neugierig blickte Finn sie an, obwohl er sich eigentlich der verführerischen Wirkung ihrer tiefblauen Augen entziehen wollte.
Betreten sah Allegra zu Boden und malte mit dem großen Zeh einen Bogen in den Sand. „Ich habe etwas Dummes getan.“
Dummheiten hatte er selbst schon viele gemacht. Sein Vater hatte sogar einmal behauptet, das wäre seine besondere Fähigkeit. „Wie dumm genau, auf einer Skala von eins bis zehn?“
Seufzend blickte sie ihm in die Augen. „Elf.“
Er lächelte. Dann rammte er seine Fackel in den Boden, setzte sich in den weichen, trockenen Sand und bedeutete Allegra, neben ihm Platz zu nehmen.
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und blickten auf die dunklen Wellen hinaus.
„Ich bin einfach abgereist, ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen, wohin. Und …“ Allegra schluckte schwer. „Eigentlich hätte ich heute Abend auf der Bühne stehen müssen.“
Erstaunt wandte er sich zu ihr um. „Du bist einfach weggelaufen?“
Ärgerlich fuhr sie zu ihm herum. „Ich bin nicht einfach weggelaufen. Ich bin doch kein unreifer Teenager! Das war
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