Im Paradies deiner Kuesse
gleichmütig die Achseln. „Ach, ich denke, ich bin einfach der Typ dafür. Immer auf Achse zu sein stört mich nicht.“
Allegra erschauerte. Zuerst dachte er, dies sei eine Reaktion auf seine Worte. Doch dann wurde ihm bewusst, dass die Temperatur stark gefallen war, seit sie das Lager verlassen hatten. Außerdem war es windig geworden. Ohne das Feuer musste sie frieren.
„Zeit zurückzugehen“, sagte er und stand auf.
Nachdem sie sich den Sand von den langen Beinen geklopft hatte, nahm sie die Fackel, die er ihr reichte. Dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg durch die Finsternis.
„Und was kam danach?“, fragte Allegra neugierig.
„Mit achtzehn bin ich auch zur Army gegangen. Damals war das eine gute Entscheidung. Es hat mich Disziplin und Selbstbeherrschung gelehrt. Und meine überschäumende Energie in die richtigen Bahnen gelenkt.“
Sie lachte. „Heißt das etwa, du hattest damals noch mehr Energie? Deine arme Mutter! Ich glaube, ich bin froh, dass ich dich erst jetzt kennenlerne. Früher hätte ich mit dir nichts anfangen können.“
Geht mir genauso! Denn hätte er damals ein Mädchen wie sie, ein Mädchen wie Allegra, kennengelernt, wäre es unsagbar schwer gewesen, es zurückzulassen!
Doch diesen Gedanken schob Finn sofort wieder beiseite. „Mit der Army bin ich durch die halbe Welt gereist. Aber am meisten Spaß hat es mir gemacht, zu lernen, wie man in der Wildnis überlebt. Wir haben so viele Fähigkeiten vergessen, die wir nicht brauchen, wenn wir von Fernsehern und Mikrowellen umgeben sind. Durch das wiederentdeckte Wissen über die Natur habe ich mich gefühlt, als würde ich eine Brücke zu unseren Vorfahren bauen.“
Darüber zu reden fiel ihm nicht schwer. Langsam begann er, sich zu entspannen.
„Als ich aus der Army entlassen wurde, wollte ich dieses Wissen mit anderen Menschen teilen. Darum habe ich eine Reisegesellschaft für Abenteurer gegründet und Survivaltricks gelehrt. Irgendwann, vor ein paar Jahren, hat Simon eine solche Reise mitgemacht. Damals war er noch ein kleiner Assistent bei einer Produktionsfirma. Unterwegs hatte er dann die Idee für eine Abenteuersendung, und der Furchtlose Finn war geboren. Da zunächst niemand in dieses Projekt investieren wollte, gründete er wenig später seine eigene Produktionsfirma. Und der Rest ist Geschichte.“
In diesem Moment erreichten sie das Lager. Sie steckten ihre Fackeln in den Boden. Dann setzte Allegra sich auf den Baumstamm an der Feuerstelle, stützte die Arme auf die Oberschenkel und fragte: „Die Fernsehsendung zeigt also nur, was du schon seit Jahren machst?“
„Genau“, bestätigte Finn, während er neben ihr Platz nahm. „Ich wollte unbedingt, dass die Sendung nicht nur unterhaltend, sondern auch lehrreich ist. Nur unter dieser Bedingung habe ich mich überhaupt darauf eingelassen. Leider sind die Fernsehbosse trotzdem vor allem daran interessiert, mich bei irgendwelchen waghalsigen Experimenten zu filmen. Die Einschaltquoten gehen hoch, wenn ich Insekten esse oder nackt in eiskaltes Wasser springe … Aber ich hoffe, die Zuschauer behalten nicht nur den Nervenkitzel in Erinnerung, sondern auch, was ich ihnen über die Natur erzähle.“
Allegra schwieg einen Moment und dachte über seine Worte nach. Im Fernsehen hatte sie ihn immer als Draufgänger betrachtet, der auf der Suche nach dem gewissen Kick war. Nun wurde ihr bewusst, wie sehr sie sich in ihm getäuscht hatte. Warum zeigte er diese Seite nur so selten? Jetzt hatten sie schon vier ganze Tage miteinander verbracht, und trotzdem begann sie gerade erst, ihn wirklich kennenzulernen.
„Du bist deinem Job mit Leib und Seele verfallen, stimmt’s? Du tust es nicht nur für den gewissen Kick, das wird mir jetzt klar.“
Finn lächelte traurig. „Schade, dass es immer erst eine Weile dauert, bis die Leute das begreifen.“ Er stand auf und streifte einen Pullover über das T-Shirt. Dann zog er warme Wollsocken an und kroch in die Hütte. Mittlerweile war es ziemlich kalt geworden.
Die Leute sehen dein wahres Ich nicht, weil du dich hinter ihren Fehleinschätzungen versteckst, Finn! Selbst ich kann nur ahnen, was wirklich in dir vorgeht.
Sie hatte seine Einsamkeit gespürt, als er ihr von seiner Kindheit erzählte. Für einen Moment hatte er sie hinter die Fassade des draufgängerischen Abenteurers blicken lassen.
Und mit dieser Erkenntnis ließ sie die Schwärmerei für den Fernseh-Finn endgültig hinter sich. Solche Gefühle begründeten
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