Im Pfahlbau
Bruchfläche weißen Stein vor die Nase und fragte, ob sie wisse, was das sei. »Was wird's denn sein, ein Kalkstein aus der Ofenmauer«, war die Antwort. Vor ihren Augen tat er den Stein in einen Topf und begoß ihn mit kaltem Wasser. Dann forderte er sie auf, die Hände an den Topf zu legen, sie werde etwas Wunderliches erleben. Widerstrebend tat sie wie geheißen, und als eine geraume Weile verging, ohne daß etwas Verwunderliches geschah, zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Wie kam Peter dazu, sie zu necken? Schon wollte sie den Topf loslassen, da spürte sie, daß dieser lauwarm wurde! Sie riß staunend die Augen auf und lächelte, als die ersten Dampfwölkchen dem Topf entstiegen. Dann entfuhr ihr die Bemerkung: »Da wird ja Milch draus!« Ihr fielen die Ziegen der Ahnl ein. Peter schmunzelte vor sich hin. »Aber kosten möcht' ich die Milch nicht; sie beißt die Haut auf.« Und er zeigte ihr die Ätzwunden an seinen Schienbeinen. Verblüfft hielt Eva den Mund offen: Der Topf wurde heiß! Sie legte die Handflächen an die Wangen und verlangte eine Erklärung. Das ging nicht mit rechten Dingen zu.
»Und wozu ist sie gut, die Milch aus Kalk?« »Das muß ich erst herausfinden«, war die Antwort. Schon nach wenigen Tagen hatte Eva Verwendung für die Kalkmilch, deren reines Weiß zum Malen reizte. Sie fegte die verrußten Wände ihrer Stube und band aus groben Eberborsten einen Pinsel, den sie wie einen Besen an einem Stiel befestigte, tauchte ihn in die blendendweiße Kalkbrühe und tünchte die Wände, die nun eine freundliche Helle ausstrahlten.Eine Woche danach machte Peter, der mit dem Bau eines starkwandigen Ofens beschäftigt war, eine Entdeckung. Die in der Böschung versickerte Kalkmilch hatte sich mit dem Sand des Bodens zu einem Brei verbunden, der an einzelnen Stellen schon zu einer festen Masse erhärtete: Mörtel. Das war eine Entdeckung, die ihm beim Bau des neuen Schmelzofens sehr zustatten kam; damit ließen sich ja die Bausteine lückenlos verbinden! In den Boden der Feuerstelle mauerte er eine gebrannte, aus Graphit und sandigem Ton hergestellte Schüssel so ein, daß sie nach außen geneigt war. Dann beschickte er den Schacht mit Erzen und mit allen durch ihr großes Gewicht auffallenden Schlacken, die er zuvor zerschlagen und mit Hartholz gemengt hatte, um sie durch und durch zu erhitzen. Im Herdinneren fachte er ein tüchtiges Feuer an und nährte es unverdrossen drei Tage lang mit Holz und Torf.
Aber sooft Peter die Asche wegfegte, er fand keinen Tropfen von geschmolzenem Metall in der Schüssel. Da ließ er das Feuer ausgehen und den Ofen abkühlen. Eine Woche später sah er im Schacht nach und fand Schlacken und Erzstücke ein wenig zusammengebacken, sonst aber kaum verändert. Offenbar war das Herdfeuer zu schwach gewesen,und er mußte darauf sinnen, eine größere Hitze zu erzielen.
In den nächsten Wochen ging er meist in Gedanken versunken der Jagd nach oder begleitete Eva bei den Erntegängen. Eva war fröhlich wie schon lange nicht mehr, denn sie trugen reiche Ernte an Waldfrüchten und eßbaren Pilzen ein. Die üppig wachsenden Holunderstauden am Waldrand hingen voll reifer Beeren, die sie dörrte oder mit Kastanien, Haselnußschrot und Honig zu einem dicken Fruchtbrei verkochte.
Es war unvermeidlich, daß sie beim Abstreifen der Beeren rote Finger bekam. In der Aschenlauge, mit der sie die Hände wusch, wurde das Rot blau und widerstand lange allen Säuberungsversuchen. Diese Erfahrung machte sie sich zunutze. Sie färbte ihr ärmelloses Bastkleid mit dem ausgedrückten Saft frischer Holunderbeeren und eine ihrer Matten mit der blauen Farblauge. Das Ergebnis war ein blasses Rot und ein verwaschenes Blau. Die Bastfasern nahmen nur wenig Farbstoff auf. Besser gelang es mit Leinfasern, die sie längere Zeit in der Farbbrühe gelassen hatte. An Peters Händen, die vom Schälen grüner Walnüsse braun geworden waren, entdeckte Eva, daß der Saft der weichen Nußschale tiefbraun färbte. Nun kannte sie Mittel genug, aus ungefärbten und gefärbten Fäden bunte Gewebe herzustellen.
Holzkohle und Blasebalg
Obgleich Peter sich über die Änderungen, die er am Schmelzofen vornehmen wollte, nicht klar war, kehrte er bald zu ihm zurück und besserte an ihm herum. Prüfend betrachtete er immer wieder eine mattbräunlich angelaufene Schlacke, aus der sich ein narbiges Stück Braunmetall gelöst hatte. Sie enthielt noch Überbleibsel eines ungeschmolzenen blauen Steins (Kupferlasur)
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