Im Profil des Todes
legte Eve ihr die Hand auf den Arm und drückte ihn liebevoll. »Es wird schon nicht so schlimm werden. Die Rekonstruktion wird nur wenige Tage in Anspruch nehmen, dann werde ich Bescheid
wissen.«
Sandra verzog das Gesicht. »Manchmal können ein
paar Tage so lang sein wie eine Ewigkeit. «
Eve Duncan.
Dom betrachtete aufmerksam ihr Foto in der Zeitung.
Rotbraune Locken umrahmten ein Gesicht, das eher
interessant als hübsch war. Braune Augen be-
trachteten die Welt durch eine Goldrand-Brille. Er erinnerte sich, dieses Foto schon im Jahr zuvor in der Zeitung gesehen zu haben, und ihm fiel auf, wie sehr sie sich seit dem Fraser-Prozess verändert hatte. Damals war sie eine völlig verzweifelte Frau gewesen.
Jetzt wirkte Eve Duncan stärker und selbstbewusster.
Wie eine Frau, deren Entschlossenheit Berge
versetzen und Regierungen stürzen konnte.
Und jetzt wandte sie diese Entschlossenheit in seine Richtung. Natürlich wusste sie nicht, dass diese Richtung zu ihm führte. Sie wollte lediglich ihr Kind finden -
was sie wieder ebenso verletzlich machte, wie sie vor Jahren gewesen war.
Damals hatte er sie als mögliches Opfer betrachtet, die Idee wegen des Rummels um den Fraser-Prozess
aber sofort wieder verworfen. Sie hatte zu sehr im Rampenlicht gestanden, außerdem hatte es genügend andere befriedigende, dafür weniger gefährliche Opfer gegeben.
Doch die Befriedigung ließ immer mehr nach.
Sie war die Lösung für dieses Problem, dachte er erleichtert. Eve Duncan war stark genug, um ihm eine Herausforderung und dazu echte Genugtuung zu verschaffen. Bei ihr würde er behutsam vorgehen, jede noch so kleine Empfindung auskosten und die Erregung langsam steigern, sodass die befreiende Explosion stark genug sein würde, um die tödliche Ödnis in seinem Inneren zu beseitigen.
Er glaubte fest an das Schicksal und gelangte zunehmend zu der Überzeugung, dass Eve Duncan an die-
sem Ort und zu dieser Zeit für ihn bestimmt war. Er war froh, dass er der Versuchung widerstanden hatte, als sie das erste Mal seinen Lebensweg gekreuzt
hatte. Damals wäre sie nur ein gewöhnliches Opfer gewesen, nicht wichtiger als all die anderen.
Jetzt konnte sie seine Rettung sein.
Kapitel 3
»Hübsch.« Sandras Blick wanderte über die Hütte und hinab zum Bootssteg. » Gefällt mir, Joe. «
»Warum bist du dann nie gekommen, wenn ich dich
eingeladen habe?« Joe begann, das Gepäck aus dem
Kofferraum zu laden.
»Du weißt doch, ich bin eine Stadtpflanze.« Sandra holte tief Luft. »Aber hier könnte ich's aushalten. Eve hätte mir ja mal was von diesem wunderschönen Aus-blick auf den See erzählen können.«
»Habe ich gemacht«, wandte Eve ein. »Du wolltest
nichts davon hören.«
»Nun ja, es ist ziemlich einsam. Gibt's denn sonst keine Häuser an diesem See?«
»Nein, Joe hat den See mitsamt dem umliegenden
Land gekauft und will nichts davon verkaufen. «
Sandra grinste Joe an. »Das ist aber gar nicht nett.«
»Ich will meine Ruhe haben, wenn ich hier draußen bin.« Er schloss den Kofferraumdeckel. »In der Stadt habe ich genug Menschen um mich. Das Grundstück
ist auf den Namen meiner Bank eingetragen, somit
weiß niemand, dass es mir gehört. Nicht mal meine Dienststelle.« Er lächelte Eve an. »Nur einige wenige ausgewählte Freunde. «
»Na ja, auf jeden Fall wirkt die Hütte nett und
freundlich«, bemerkte Sandra.
Eve hatte das Giebelhäuschen immer gemocht. Es war klein und gemütlich und die vielen Fenster ließen die Sonne herein. »Komm rein und sieh es dir von innen an. «
»Ich muss zurück in die Stadt. Ron macht sich Sorgen, wenn ich zum Abendessen nicht da bin. «
»Du könntest ihn anrufen.«
Sandra schüttelte den Kopf. »Hör mal, ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen. Er soll sich gar nicht erst angewöhnen, allein zu essen. Ich ruf dich morgen an, dann können wir uns unterhalten.« Sie umarmte Eve herzlich. »Willkommen zu Hause, Kleines. Du hast mit gefehlt. « Sie trat einen Schritt zurück und sah Joe an.
»Soll ich dich mit zurück in die Stadt nehmen?«
»Ich habe einen Jeep hier stehen. Danke, Sandra.«
»Keine Ursache.« Sandra stieg wieder in den Wagen und ließ den Motor an. »Bis bald.«
Eve sah ihr nach, als der Wagen sich auf der Schotterstraße entfernte, dann half sie Joe, die Koffer die Verandastufen hinaufzutragen.
»Also, das kapier ich nicht.« Er schüttelte den Kopf.
»Ihr zwei habt euch über ein Jahr nicht gesehen, sie verschwindet zum
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