Im Rachen des Alligators
Fetzen verschmort, die an die abgestreifte Haut einer Schlange erinnerten.
Sie hatten das Haus im Dunkeln betreten. Der Junge stolperte, war nicht mehr ganz bei sich, doch ihm fiel gleich das Klavier ins Auge. Er beugte sich vor, um die Noten zu studieren, die auf der hölzernen Ablage oberhalb der Tastatur standen. Es war zu dunkel, um lesen zu können, aber der Junge blieb vorgebeugt stehen, das Gesicht ganz nah an den Blättern.
Valentin sagte: Wir brauchen kein Licht.
Frank stand reglos da, scheinbar im Dunkeln lesend, bis er leicht zu schwanken begann, vor und zurück, und sich abstützen musste. Er presste drei Finger auf den geschlossenen Klavierdeckel, um nicht vornüber zu fallen. Das Scheinwerferlicht eines vorbeifahrenden Wagens glitt über die Wand und traf das Goldfischglas auf dem Klavier, ein Zittern durchlief den Goldfisch, er leuchtete in einem grellen, pulsierenden Orange, und die aquamarinfarbenen Steine auf dem Boden des Glases und die kleine Plastikpalme strahlten auf und fielen dann genauso schnell wieder ins Halbdunkel zurück. Der Fisch verlor die Farbe und sank langsam auf den Grund des Glases. Der Junge drehte sich abrupt vom Klavier weg, wankte und richtete sich wieder auf wie ein Stehaufmännchen.
Ich muss mich setzen, hatte er gesagt. Er hatte in förmlichem Ton gesprochen, die Augen geschlossen, musste sich anstrengen, um seinen Gedanken deutlich zu artikulieren. Valentin fasste ihn an der Schulter und führte ihn zu einem Stuhl in der Mitte des Zimmers.
Ich muss mich ausruhen, sagte Frank.
Du bist ein guter Junge, sagte Valentin.
Ich bin ziemlich müde.
Setz dich auf diesen schönen Stuhl.
Er wartete, bis der Kopf des Jungen nach hinten sank. Frank saß reglos da, dann fiel ihm der Kopf in den Nacken, sein Mund stand offen, und er schnarchte laut.
Er würde nichts spüren, überhaupt nichts. Er würde ersticken, ehe er verbrannte. Er würde nicht mehr aufwachen. Valentin wartete ab, bevor er das Streichholz anzündete. Er wartete ewig, aber der Junge rührte sich nicht. Er war bewusstlos. Valentin riss ein Streicholz an und senkte es vorsichtig zum Teppich, die Flamme sprang dem Streichholz schon vom Boden entgegen.
Das Feuer breite sich in Bahnen von dem brennenden Streichholz aus. Es folgte den unsichtbaren Benzinspuren, lief durch Flur und Wohnzimmer und Küche, und die Flammen sahen aus wie etwas, was immer dagewesen war, im Verborgenen gelauert hatte. Valentin hatte auch die Wände benetzt, und die Flammen folgten den Benzinspritzern, die in die Farbe eingesickert waren. Durch das Wohnzimmerfenster sah Valentin, wie die Flammen von Vorhang zu Vorhang sprangen. Wieselflink jagten sie die Treppe hinauf. Er sah, wie eines der Fenster im ersten Stock erleuchtet wurde, dann das zweite und das dritte.
Valentin war draußen an der frischen Luft, er verkeilte den Stock, den er dafür vorgesehen hatte, unter der Türklinke und versuchte dann, die Tür zu öffnen, doch sie bewegte sich nicht. Er rüttelte an der Tür, worauf sich der Stock noch fester verkeilte; die Tür ging nicht auf.
Dann rannte er über den Gartenweg und stieg in den Pick-up. Gerade fuhr er los, da sah er, wie ein Stuhl durch die Scheibe flog und der Junge sich durchs Fenster ins Freie stürzte. Er sah das alles im Rückspiegel, und er sprang aus dem Wagen und nahm seine Schaufel von der Ladefläche.
Der Junge war auf allen vieren, und die Flammen standen auf seinem Rücken wie das gesträubte Fell einer fauchenden Katze. Er raffte sich hoch, die Arme vor sich ausgestreckt, als wollte er einen Chor dirigieren. Das Haus hielt die Luft an. Frank begann wie wild mit den Armen zu rudern. Er schleuderte die Arme durch die Luft, und das Haus brüllte los, ein anhaltendes, dumpfes Tosen.
Die Fensterscheiben barsten, Scherben schossen über den Rasen, und einige trafen den Jungen und brachten ihn zu Fall. Das Feuer loderte weit aus dem Fenster und floss dann nach oben. Es strömte in den Himmel wie ein Fluss, der in die falsche Richtung strebt. Flammen überstürzten sich, liefen über andere Flammen hinweg und leckten nach den Blättern der Bäume, die nah beim Haus standen.
Und dann gingen die Bäume in Flammen auf. Das Feuer sprang von Baum zu Baum, und die Bäume verkohlten und knackten und spien Funken. All die Raupen, die in den Bäumen hingen, leuchteten auf und waren im nächsten Moment zu Asche geworden.
Der Junge stand wieder auf und drehte sich um, er wollte sehen, was ihn umgeworfen hatte. Valentin
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