Im Rachen des Alligators
klingen sollen. Doch es kam ganz anders heraus, klang höflich, wie ein Kompliment.
Duffy hatte eine Freundin, eine junge Friseurin, die am Churchill Square arbeitete. Er hatte für den Abend eigentlich etwas geplant: das bulgarische Restaurant. Er war gern freigebig gegen die Friseurin. Sie kochte gut, und wenn er zu ihr kam, standen auf jedem freien Fleckchen Kerzen, und sie hatte Räucherstäbchen angezündet, was er jedesmal monierte.
Sie hatte ein kleines hölzernes Schmuckkästchen aus Kenia, geschnitzt und mit Perlmutt ausgekleidet, in dem sie ihr Dope aufbewahrte, und manchmal rauchten sie etwas zusammen.
Er hätte nicht sagen können, woran es hakte, außer vielleicht, dass sie sich zu schnell miteinander eingerichtet hatten. Er hatte nie mit ihr über seine Beziehung zu seinen Kindern gesprochen. Er fragte sich, ob Beverly Clark noch unten im Food Court saß und wartete. Natürlich hatte er nicht vor, noch einen weiteren Gedanken auf Colleen Clarks Vandalismus zu verschwenden. Er hatte seinen Spaß gehabt. Er legte die Hand auf die Stelle an seinem Arm, wo Beverly ihn angefasst hatte. Vielleicht erwischte er sie ja noch.
Madeleine
Madeleine hatte ihren glänzend roten Kimono an, sie hatte sich gerade einen Cappuccino gemacht. Sie schlug an der Kante eines Topfes, in dem Wasser kochte, ein braunes Ei auf, und das Eigelb flutschte über den gezackten Rand der Schale. Das Eiweiß bildete opake Stränge und transparente Schleier, es löste sich vom Eigelb, schäumte bis über den Topfrand, setzte sich wieder. Sie gab ein paar Spritzer Balsamico in den Topf. Madeleine erwartete ihre Putzhilfen, zwei Frauen von der Placentia Bay, nach deren Einsatz die Wohnung jedesmal von dem künstlichen Kiefernduft erfüllt war, den sie auf die Staubsaugerbeutel gaben, jede Oberfläche roch nach Pledge, und das Windex nahm Madeleine noch Tage später wahr. Die Gerüche stimmten sie hoffnungsfroh und schlugen ihr auf die Atemwege. Sie hatte es gern, wenn ihre Wohnung geputzt wurde.
Sie war mit dem Aufzug hinuntergefahren und barfuß auf den Bürgersteig getreten, um die Zeitung hochzuholen. Der Beton war kalt und feucht, sie hüpfte mehr oder weniger zu ihrer Zeitung und hob sie auf. Es war ein warmer Morgen, schon jetzt. Irgendwo in einem Garten bellte ein Hund. Sie hörte ein metallenes Scheppern, das durch die leeren Straßen hallte: Jemand hatte den Deckel eines Müllcontainers zufallen lassen. Ein Lastwagenmotor heulte auf. Auf den Dächern und Motorhauben der Autos, die in der Straße parkten, waren dicke Regenplatscher zu sehen, und jemand hatte ein Herz auf die beschlagene Windschutzscheibe ihres Wagens gemalt.
Sie hob die Zeitung auf und sah das Foto auf der Titelseite, zunächst durch etwas ablaufendes Regenwasser, das sich in der Plastikfolie gesammelt hatte. Das Wasser breitete sich über dem Bild aus, vergrößerte und verzerrte die nackte Gestalt, sodass die Schultern länger wurden und die schwarze Kapuze verwischte, sie riss die Plastikfolie auf, ohne sich dessen recht bewusst zu sein. Sie war noch nicht ganz wach, und als sie wieder in den Hausflur trat, kam er ihr nach der hellen Straße schummrig vor. Im Hausflur wurde es schummrig, als hätte jemand den Dimmer betätigt, und sie drehte die Zeitung um und blieb stehen. Die Plastikfolie fiel auf den Boden des Aufzugs, doch sie bemerkte es gar nicht.
Das Foto war mit Weichzeichner aufgenommen, ein Digitalfoto, das etwas Amateurhaftes hatte, ein nackter Mann, der auf einer Plattform stand. Er hielt die mit Handschellen gefesselten Hände vor sein Geschlecht. Die eine Schulter ließ er etwas hängen, eine fast mädchenhaft-schüchtern anmutende Haltung, wäre da nicht die große schwarze Kapuze gewesen sowie die brutale Tatsache seiner Nacktheit. Die Nacktheit des Mannes war ein Schock. Das Bild hatte eine niedrige Auflösung, und es sah aus, als wäre es durch mehrere Medien gegangen und dabei immer schlechter geworden. Die Farben stimmten nicht, Bildschärfe und Farben lagen kaum merklich daneben, ein beiläufiger Dilettantismus, der gespenstisch wirkte. Madeleine lehnte sich gegen die Wand des Aufzugs. Sie hielt sich das Bild ganz nah vors Gesicht, versuchte, die einzelnen Pixel zu erkennen, zu sehen, wie die Farbe wiedergegeben worden war; sie wollte das Bild verstehen. Ihr wachsendes Entsetzen machte ihre Haut kribbeln: Was war das für ein Bild? Es war ein hausgemachter Witz über Folter, rustikal und kitschig, voll abgrundtiefem Hass und
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