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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moore
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hatte, ihr den Saft, der ihm über die Fingerknöchel rann, in den Mund tropfen zu lassen, ihn stattdessen jedoch über ihr Kinn und ihren Hals verteilt hatte, und wie der Saft auf ihrer Haut gerochen hatte, als er ihn ableckte, und dass ihr das, was er da tat, zu seinem Erstaunen gefallen hatte.
    Sie leckte seine Fingerknöchel ab, die vom Saft ganz klebrig waren, und dann nahm sie einen seiner Finger in den Mund und saugte daran, und ihm war, als würde die Liebe aus ihm herausgezogen. Noch das letzte Tröpfchen Liebe und Trauer und Geilheit und Alleinsein zog sie mit ihrem tollen, heißen und feuchten Mund aus seinem Finger, so wie ein Zauberer eine endlose Reihe aneinandergeknoteter Taschentücher aus seiner behandschuhten Faust zieht. Ihr Mund war eine Faust, und er wollte ihn woanders spüren. Ihre dichten, schwarzbraunen Wimpern, ihre Wangenknochen, der Erdbeergeruch war voller Sommer, und was war sie leicht, als er sie an der Wand hochhob.
    Und als sie kam, und er hatte noch nie ein Mädchen zum Orgasmus gebracht, da sah er, wie ihre Augen aufflogen und wie verblüfft sie war, und dieser Blick war Liebe gewesen, da war er sich ziemlich sicher.
    Auch wenn sie das verdammte Geld geklaut hatte, das sie überhaupt nicht brauchte, sie hatte es einfach nur so geklaut, das war ihm völlig klar.
    Er nahm die Kaffeedose aus dem Schrank und gab fünf Löffel Kaffee in den Filter. Dann zog er die Bettdecke weg, um nachzusehen, ob dort vielleicht ein Zettel lag.
    Einen Moment lang dachte er, sie hätte ihm vielleicht einen Zettel geschrieben. Er öffnete die Tür zur Feuerleiter, rechnete halb damit, das Mädchen dort zu finden.
    Als er sah, dass sie nicht da war, spürte er das Zimmer hinter sich pochen wie ein Herz, es klopfte und klopfte, und es war ein sehr leeres Zimmer, und auch wenn kein Zweifel bestand, dass sie ihn übertölpelt hatte: Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf.

Colleen
    Frank hatte sich in sie verliebt, während sie miteinander schliefen, sie hatte dabei zusehen können. Sie rechnete fest damit, erwischt und möglicherweise verprügelt zu werden, weil sie sein Geld geklaut hatte. Sie hatte diesen Typ gerade erst in einer Bar kennengelernt und war mit ihm nach Hause gegangen, und was dann geschah, war, dass ihre Augen aufflogen und seine bereits offen waren und sie gerade einen Orgasmus gehabt hatte, und das war ihr noch nie passiert.
    Und dann war es ihr passiert , ungeplant und unerwartet; ihre Augen flogen auf, und seine waren bereits offen.
    Er hatte stolz und schüchtern ausgesehen. In der Bar hatte sie Jell-O Shooters geschluckt, kleine geschichtete Dinger mit Wodka und Tequila und Pfefferminzlikör, und zwischen jeder Schicht ein winziger verschrumpelter Pilz. Nach ihrem Orgasmus hatte sie einen Weinkrampf bekommen, ein durch Lust und Verausgabung bewirkter Selbstverlust, ein Ausstoßen ihrer Seele durch Augen, Schweißdrüsen, Scheide und Ohren, wie es normalerweise nur in Träumen vorkommt.
    Frank reagierte auf ihr Weinen so, wie man sich vielleicht einer angefahrenen Katze annähme: Er zog sie mit liebevoller Behutsamkeit an sich, sodass ihre Stirn auf seinem Schlüsselbein ruhte; er war ganz ruhig. Er strich ihr Haar glatt, das von seinem Pullover elektrisch aufgeladen war; oder vielmehr berührte er ihr Haar nicht einmal, sondern drückte die spröde Aura von Elektrizität nieder, die ihren Kopf umgab.
    Lass alles raus, sagte er. Das Bett schaukelte und gurgelte bei jedem ihrer Schluchzer. Er hatte »My Bonnie Lies Over the Ocean« gesummt, so ernst und unendlich langsam, dass sie es erst gar nicht erkannte. Sie schlief schon fast, da hörte sie ihn sagen: Ich liebe dich.
    Er sagte ihr, dass er sie liebe, und seine Worte sanken mit düsterer Endgültigkeit in den bodenlosen Abgrund ihres betrunkenen Selbst.
    Sie hatte als Dreizehnjährige angefangen zu trinken und zu kiffen, auf dem Parkplatz hinter der Schule inmitten zerbrochener Bierflaschen, Zigarettenkippen und den mit bunter Kreide auf den Asphalt gemalten Hüpfkästchen. Der Parkplatz war von Gebüsch gesäumt, und dort drinnen ließ sie sich von Jungs betatschen und sich Knutschflecken am Hals verpassen, und schließlich ließ sie die Jungs überhaupt alles tun, wonach ihnen der Sinn stand, immer zwei auf einmal. Das alles war in einer diffusen Mischung aus Kameradschaftlichkeit und Nötigung geschehen, die am nächsten Tag jeder, so gut es ging, verdrängte. Vielleicht weinte sie auch wegen alledem.
    Oder sie weinte, weil sich

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