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Im Rachen des Alligators

Im Rachen des Alligators

Titel: Im Rachen des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moore
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wie ihren Namensschildern zu entnehmen war. Ihnen war anzusehen, dass sie sehr religiös waren, fand Frank, und er sah, dass sie mit wachsamem Blick nach Ladendieben Ausschau hielten; sie standen mit verschränkten Armen im spätnachmittäglichen Licht und sahen zu, wie über dem Hafen ein Unwetter aufzog.
    Frank war schon in frühester Kindheit mit seiner Mutter in den Heilsarmeeladen in der Waldegrave Street gekommen, aber er war sich nicht sicher, ob die beiden Frauen ihn mit dem Baby oder dem kleinen Kind in Verbindung brachten, das er damals gewesen war, oder ob sie an seine Mutter dachten und sich fragten, was wohl aus ihr geworden war.
    An jenem Tag im Januar, als Frank die Zuckerdose kaufte, hatte sich Gert einen Stuhl herangezogen, von dem aus sie mit einem langen Haken nach einem Hochzeitskleid angelte, das an der Decke hing. Das Kleid steckte in einer Plastikhülle, und die Hülle war von Staub bedeckt, Gert musste sich sehr weit vorbeugen und streckte ein Bein in die Luft wie eine Ballerina, und Johnny, der Bräutigam in spe, griff nach ihrer Hand.
    Frank sah, wie fest er ihre Hand hielt, halt dich an mir fest, Gert, sagte Johnny, sonst brichst du dir noch den Hals. Alle im Laden sahen zu, wie der Haken sich schwankend dem Kleiderbügel mit dem Hochzeitskleid näherte, der an einem Wasserrohr direkt unter der Decke hing.
    Gert nahm das Hochzeitskleid herunter, riss mit ein paar Handbewegungen die Plastikfolie herunter, und jetzt sahen sie, dass das ganze Kleid von Pailletten übersät war, ohne die staubige Hülle funkelte und blitzte es, und das Mädchen mit dem unproportionierten Gesicht schlug beide Hände vor den Mund.
    Dieses Kleid ist nie getragen worden, flüsterte Gert. Sie hatte ein Preisschild aus dem Tüll hervorgezogen, und darauf stand, dass das Kleid 1500 Dollar wert war.
    Das Mädchen raffte das Kleid in seine Arme und verschwand in der kleinen Umkleidekabine, und Gert und Shirley wandten sich sofort um, schnalzten missbilligend mit der Zunge und befahlen Johnny mit den entsprechenden Gesten, er solle sich in Herrgottsnamen umdrehen und die Augen zumachen.
    Nach einem Weilchen rief Shirley: Passt es?
    Die Tür der Umkleidekabine öffnete sich quietschend, und die Braut kam heraus, feuerrot vor Stolz und Verlegenheit. Sie neigte das Gesicht zur Schulter, die Schönheit des Kleides schien zuviel für sie zu sein. Inmitten des Rots von Stirn und Wangen wirkten ihre braunen Augen sehr dunkel. Ihr unproportioniertes Gesicht leuchtete regelrecht, und einen Moment lang war sie seltsam schön.
    Frank dachte sich, dass dieser Johnny sie später womöglich prügeln würde, vielleicht würden sie ihr Leben lang von Sozialhilfe leben und keine Ahnung von gesunder Ernährung haben, ihre Kinder würden sich von Kuchen mit blauem Guss aus Zucker und purer Chemie und von Chips und Cola ernähren und ständig frech und außer Kontrolle sein, und die Eltern würden Krebs oder irgendsowas kriegen oder sie würden Alkoholiker werden oder spielsüchtig sein, aber jetzt, in diesem Hochzeitskleid, während draußen der Schneesturm tobte, war das Mädchen schlicht ekstatisch.
    Frank sah, dass ihr Hals und ihre Schultern von dunkelbraunen Sommersprossen bedeckt waren, doch unterhalb des Halses war ihre Haut sahnigweiß, und sie hatte einen hübschen Körper. Und dann fand er den Deckel der Zuckerdose, seine Finger hatten ihn zufällig gestreift. Der Deckel war unversehrt und hatte eine kleine Einbuchtung für einen Löffel.
    Diese Zuckerdose steht jetzt vor ihm im Schrank auf der gelben Folie und schimmert in dem Licht, das durchs Fenster hereinfällt, er nimmt sie heraus und stellt sie auf die Anrichte und fühlt sich ganz klein, als ihm wieder einfällt, dass er dachte, er werde Colleen heiraten – nach einem One-Night-Stand.
    Er dachte, er werde sie heiraten.
    Nach einer Liebesnacht dachte er, dass sie heiraten würden und dass von dieser Nacht an alles, was er zusammentrug, auch für sie sein würde. Wenn er eine Zuckerdose fand, würde sie für Colleen sein. Wenn er ein Heimfahrrad kaufte oder einen Kochkurs belegte oder wenn sie zusammen Yoga machten oder eine Hypothek aufnahmen, würde es für Colleen sein.
    Er hatte sich in einem Maß übertölpeln lassen, dass ihm schwindelte.
    Er betrachtete die Zuckerdose, und was er dachte, war: Ich liebe sie trotzdem. Denn er dachte daran, wie er die eiskalten Erdbeeren aus dem Kühlschrank genommen und eine davon in der Faust zerdrückt hatte, und wie er versucht

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