Im Rausch der Ballnacht
bedenkt, dass du schon dein ganzes Leben lang in Tyrell de Warenne verliebt warst.”
Der Küfer hat schwarzes Haar, erinnerte sich Lizzie, verzichtete aber auf diese überflüssige Bemerkung. “Ist es so offensichtlich?”
“Für mich ist es offensichtlich, weil ich deine Geschichte kenne. Er ist ein so dunkler Typ, und seine Augen sind von diesem ganz besonderen Blau.”
Lizzie setzte sich wieder. “Wenn er jemals die Wahrheit erfährt, dann wird er ihn mir wegnehmen. Georgie, ich würde es leugnen. Ned gehört mir!” Dabei hatte sie Angst, dass ihre Lüge jetzt schon entdeckt worden sein könnte.
Georgie legte ihr eine Hand auf die Schulter. “Ich weiß, dass er niemals unter seinem Stand heiraten würde. Es geht das Gerücht von einer bevorstehenden Verlobung mit einer reichen Engländerin, die einer mächtigen Whig-Familie entstammt. Du hast recht. Er würde dir Ned wegnehmen.” Sie sah Lizzie fragend an. Und Lizzie wandte sich ab.
“War es in jener Nacht an Allerheiligen? Du sagtest doch, du wärst nicht zu dem Stelldichein mit ihm gegangen.”
Lizzie holte tief Luft. “Ich kann nicht darüber reden, Georgie. Ich kann es nicht.” Sie zögerte und sah Georgie an. “Es ist zu schmerzlich.” Sie wollte ihre Schwester nicht weiter anlügen. Glücklicherweise konnte sie zuweilen genauso entschlossen sein wie Georgie.
Georgie musterte sie. “Du willst ihm also wirklich das Kind vorenthalten? Und Ned allein aufziehen?”
Georgie hatte noch nichts dazu gesagt, dass sie Ned sein Geburtsrecht vorenthielt – ein Umstand, der Lizzie jetzt, da sie zu Hause und damit so nahe an Adare war, mehr peinigte denn je. “Eines Tages, wenn er älter ist, werde ich ihm die Wahrheit sagen.”
Damit schien Georgie sich zufriedenzugeben. “Vielleicht wird Tyrell nie einen anderen männlichen Erben haben”, sagte sie endlich, “sodass es ihm leichter fällt, Ned zu akzeptieren.”
“Ich weiß genau, dass das wieder eine gewaltige Krise heraufbeschwören wird, aber ich muss mich auf eine Sache zurzeit konzentrieren.”
Georgie legte den Arm um sie. “Natürlich musst du das. Und ich will dir helfen.”
“Danke”, flüsterte Lizzie. Sie wollte sich nicht so weit der Lächerlichkeit preisgeben, dass sie dem Schmerz nachgab, den sie jetzt empfand. “Er wird sich also bald verloben?”
“So sagt man, ja. Überall in Limerick erzählt man sich davon. Die fragliche Dame ist wohl die Tochter des Viscount Harrington.”
Lizzie schloss die Augen. Selbst sie, die von Politik so gut wie nichts verstand, hatte von dem mächtigen Lord Harrington gehört. Früher hatte er dem Kronrat angehört und war noch immer Vorsitzender des Oberhauses. Er war ein sehr bekannter und sehr reicher Engländer. Wenn die Gerüchte stimmten, dann wäre das für die de Warennes eine sehr vorteilhafte Verbindung.
“Lizzie, du wusstest immer, dass er nicht für dich bestimmt ist …”
“Ich weiß! Georgie, es wäre am besten, wenn er heiratet und noch mehr Kinder bekommt. Ich will, dass er glücklich wird”, sagte Lizzie.
Georgie lächelte traurig. “Ich weiß, dass du das willst.”
Einige Tage später hatte der Haushalt sich noch immer nicht von der Krise erholt. Mama blieb weiterhin in ihren Gemächern, offensichtlich zu bekümmert, um nach unten zu kommen. Papa grübelte in seinem Arbeitszimmer und nahm schweigend an den Mahlzeiten teil. Es war genauso, als wäre jemand gestorben und der gesamte Haushalt trüge Trauer, bemerkte Eleanor. Doch dieser Satz trug weder dazu bei, Lizzie die Furcht zu nehmen, noch heiterte er sie auf. Georgie versuchte, lustig zu sein, und verhielt sich Ned gegenüber einfach wundervoll, aber das half auch nicht. Niemand, nicht einmal Eleanor, konnte Mama dazu überreden, herunterzukommen, und Papa schien es egal zu sein.
Es war fast mehr, als Lizzie ertragen konnte. Im vergangenen Jahr hatte sie sich bemüht, nicht darüber nachzudenken, was passieren könnte, wenn sie Ned mit nach Hause nahm. Wenn sie es doch einmal wagte, dann hatte sie versucht, sich einzureden, dass es schon irgendwie gehen würde. Jetzt musste sie der Tatsache ins Auge sehen, dass sie ihre Eltern zutiefst verletzt hatte – und das war erst der Anfang. Wenn ihre Familie schon so schockiert war, wie würden erst deren Bekannte reagieren? Lizzie fürchtete, dass sie einen weitaus größeren Skandal verursachen würde, als sie sich jemals vorgestellt hatte.
Lady O’Dell war die Erste, die zu Besuch kam. Lizzie war gerade mit
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