Im Rausch der Freiheit
Weile mit ihm geplaudert und Rum getrunken hatte, sah ich ein Mädchen ungefähr meines Alters ins Haus kommen. Sie setzte sich still in die Ecke, wo der alte Mann schlief, und keiner schien sie zu beachten. Ich aber schaute immer wieder zu ihr hinüber und fragte mich, ob sie mich wohl bemerkt hatte. Schließlich drehte sie sich um und sah mich direkt an. Und als sie das tat, merkte ich, dass ihre Augen zu lachen schienen und sie ein warmes Lächeln hatte.
Ich wollte schon zu ihr hinübergehen, als ich Cudjos Hand auf meinem Arm spürte.
»Von dem Mädchen lässt du am besten die Finger«, sagte er leise.
»Warum das?«, fragte ich. »Ist sie deine Frau?«
»Nein«, antwortete er.
»Bist du ihr Vater?«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin ihr Besitzer. Sie ist meine Sklavin.«
Im ersten Moment glaubte ich ihm nicht. Ich hatte nicht gewusst, dass ein Schwarzer Sklaven haben könnte. Und es kam mir seltsam vor, dass ein Mann, dessen eigener Vater die Freiheit erlangt hatte, seinerseits eine Sklavin besitzen wollte. Aber so war es.
»Bist du auf der Suche nach einer Frau, junger Mann?«, fragte mich Cudjo dann, und ich sagte Ja. »Hattest du schon je eine Freundin?«, erkundigte er sich, und ich schüttelte den Kopf.
»Warte hier einen Moment«, sagte er und ging hinaus.
Kurz darauf kehrte er mit einer jungen Frau zurück. Sie war, so schätzte ich, zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt und fast so groß wie ich. Ihr langsamer, wiegender Gang schien zu sagen: Egal wie es anderen geht – ich fühl mich wohl auf der Welt. Sie kam herüber und setzte sich neben mich auf die Bank und fragte, wie ich hieße. Wie schwatzten eine Weile miteinander und tranken. Dann warf sie Cudjo einen Blick zu und nickte leicht.
»Warum kommst du nicht mit, Schätzchen?«, sagte sie.
Also folgte ich ihr nach draußen. Gerade, als wir rausgingen, lächelte Cudjo mir zu und sagte: »Wird schon alles gut werden.«
Und in dieser Nacht wurde ich zum Mann.
In den folgenden Jahren freundete ich mich mit einer ganzen Reihe Sklavinnen in der Stadt an. Mehrmals sagte der Baas, einer der Mijnheers hätte sich beklagt, sein Sklavenmädchen sei schwanger und dafür sei niemand anders als ich verantwortlich. Einige Nachbarn sagten zum Baas, er sollte mich auf eine Bouwerij oder »Farm« außerhalb der Stadt arbeiten schicken. Aber das hat er nie getan.
*
Es war immer mein Ziel, den Baas und die Herrin gleichermaßen zufriedenzustellen. Aber manchmal war das nicht so einfach, weil sie nicht immer einer Meinung waren.
Zum Beispiel hielt die Herrin nicht immer etwas von den Freunden des Baases. Der Erste, gegen den sie auf einmal was hatte, war Mijnheer Philipse. Man hätte annehmen können, dass sie ihn mögen sollte, weil er Niederländer war und seine Frau und die Herrin sich immer nahgestanden hatten. Und reich waren sie auch. Aber die Herrin meinte, Mijnheer Philipse würde allmählich zu englisch für ihren Geschmack und würde vergessen, dass er Niederländer sei. Der Baas schien ihn allerdings recht gern zu mögen.
Der zweite kam folgendermaßen in unser Leben.
Der Baas liebte es, auf dem Wasser zu sein. Manchmal unternahm er mit der Familie Bootsausflüge. Einmal fuhren wir mit einem großen Korb voller Essen und Trinken nach Noten Eylandt – oder Nut Island, wie die Engländer sagten –, der kleinen Insel unmittelbar vor der Südspitze von Manhattan, und verbrachten den ganzen Nachmittag dort. Ein anderes Mal fuhren wir weiter auf die Bucht hinaus, auf die »Austerninsel«.
Eines Tages sagte der Baas, dass er zu einem Ort drüben auf der Langen Insel fahren wollte und Jan und ich ihn begleiten sollten.
Wir verließen den Hafen und fuhren den East River hinauf. Als wir die Stelle erreichten, wo der Fluss sich gabelt, und wir in den Kanal einbogen, der nach Osten führt, begann das Wasser so heftig zu brodeln und zu strudeln, dass ich große Angst bekam. Selbst Jan sah ganz blass aus, obwohl er es nicht zeigen wollte. Aber der Baas lachte und sagte: »Das ist das Höllentor, Jungs. Nur keine Bange.«
Sobald wir die Stelle passiert hatten, wurde das Wasser wieder ruhig, und nach einer Weile wandte sich der Baas zu mir und sagte: »Das ist der Sund, Quash. Auf dieser Seite« – er zeigte nach links – »verläuft die Küste bis hinauf nach Connecticut und Massachusetts. Auf der Seite« – und er zeigte nach rechts – »zieht sich Long Island hundert Meilen hin. Und, bist du froh, dass du mitgekommen
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