Im Rausch der Freiheit
heißt, es führte Riemen, sodass es selbst bei Flaute andere Schiffe angreifen konnte. Es trug hundertfünfzig Mann Besatzung und vierunddreißig Kanonen.
Als der Tag nahte, da das Schiff die Anker lichten würde, setzte ich mich mit Hudson zusammen und sagte zu ihm: »Von nun an gehorchst du Captain Kidd in allem, denn fürs Erste ist er jetzt dein Baas. Aber einige der Männer, mit denen du segelst, sind sehr schlechte Kerle, Hudson. Also erledige du nur deine Arbeit und halt dich von ihnen fern, vielleicht lassen sie dich dann in Ruhe. Aber erinnere dich stets an das, was dein Vater und deine Mutter dich gelehrt haben, und dir wird nichts zustoßen.«
Endlich, im September des Jahres 1696, segelte die Adventure Galley aus dem Hafen von New York, und ich sah Hudson nach, bis er nicht mehr zu erkennen war.
*
Monate vergingen, ohne dass Nachrichten eingetroffen wären. Wenn er keine Prisen in der Nähe fand, so vermutete ich, würde Captain Kidd Kurs auf Südafrika und das Kap der Guten Hoffnung nehmen. Denn jenseits des Kaps, hin zur Insel Madagaskar, segelten französische Kauffahrer und Piraten.
Eines Tages lief ein Schiff in den Hafen ein, das in dieser Gegend gewesen war, und schon kursierte in New York das Gerücht, Captain Kidd habe vor Madagaskar ein Drittel seiner Besatzung durch die Cholera verloren. Ob das stimmte und ob mein Hudson noch am Leben war, konnte ich unmöglich wissen.
In dem Frühjahr gebar Juffrouw Clara einen Sohn. Bislang hatte Jan nur zwei Töchter, deswegen freute sich der Baas über diesen kleinen Jungen sehr. Das Kind wurde nach ihm auf den Namen Dirk getauft.
»Ich habe einen Enkelsohn, Quash«, sagte er, »und mit etwas Glück könnte ich sogar noch erleben, wie er erwachsen wird. Ist das nicht eine feine Sache?«
»Ja, Baas«, sagte ich. »Sie sind ein glücklicher Mann.«
Bald kam Juffrouw Clara mit dem Baby vorbei, um es ihrer Mutter zu zeigen, aber die Herrin war nicht erfreut, einen anglikanischen Enkel zu haben.
Im Oktober 1698, ein paar Monate nach der Abreise meines Sohnes, wurde nachträglich auch dem armen Jakob Leisler noch Gerechtigkeit zuteil.
Dessen Hinterbliebene hatten sich beim König beschwert, dass all ihrer Güter beschlagnahmt worden seien. Nach jahrelangen Petitionen und Erklärungen erkannte das britische Parlament endlich an, dass die Hinrichtung von Leisler – und auch die seines Schwiegersohnes – unrechtmäßig gewesen sei, da beide sich durchaus gesetzmäßig und loyal verhalten hätten. Sein Sohn konnte nun in das väterliche Erbe eingesetzt werden.
Einige Bürger von New York entschieden, dass der Leichnam auf den Friedhof der niederländischen Gemeinde überführt werden sollte. Meine Herrin war sehr aufgeregt und nahm trotz heftigen Schneetreibens an dieser Zeremonie teil, und wie sie sagte, waren über tausend Menschen zugegen. Sie hatte sich an diesem Tag besonders festlich angezogen, und noch Tage darauf merkte man ihr die Genugtuung an, dass dieser Mann, den sie so sehr verehrte und der ihr gegenüber so höflich gewesen war und in perfektem Holländisch mit ihr parliert hatte, nachträglich wieder zu Ehren kam. Sie hatte – wieder einmal – recht behalten. Nicht nur in ihr lebte der Geist des Einwanderers aus Deutschland weiter. Bald gründete sich eine sogenannte Leislersche Partei, die starken Zulauf hatte und stetig an Einfluss gewann.
*
Zu einem Zeitpunkt, da ich überhaupt nicht damit rechnete, hörte ich die Worte, auf die ich mein Leben lang gewartet hatte. Die Herrin war außer Haus, als mich der Baas zu sich in die Stube rief.
»Quash«, sagte er, »wie du weißt, habe ich dir versprochen, dass du, wenn ich sterbe, frei sein wirst.«
»Ja, Baas«, sagte ich.
»Nun«, sagte er, »frei zu sein ist vielleicht nicht so großartig, wie du dir das vorstellst, aber in meinem Testament werde ich dir die Freiheit geben und auch etwas Geld dazu.«
»Ich werde selbst allmählich alt, Baas«, sagte ich und sprach ein stummes Stoßgebet. »Könnte Hudson nicht auch freigelassen werden?«
»Ja«, sagte der Baas, »er wird ebenfalls frei sein. Wenn er dann noch lebt.«
»Danke, Baas«, sagte ich.
»Du darfst niemandem etwas davon erzählen, Quash«, sagte der Baas streng. »Sag weder Hudson noch jemandem aus der Familie etwas davon. Aus Gründen, die du nicht zu wissen brauchst, muss die Sache zwischen dir und mir bleiben. Hast du verstanden?«
»Ja, Baas«, sagte ich.
Er hatte also vermutlich ein englisches Testament
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