Im Rausch der Freiheit
Dreifaltigkeitskirche sollte sie heißen: Trinity Church.
Das zweite Ereignis war die letzte Kaperfahrt des Captain Kidd.
König Wilhelms Krieg gegen Frankreich war immer noch in vollem Gange. Schenectady, eine niederländische Siedlung zweihundert Meilen flussaufwärts, war von Franzosen und Indianern angegriffen worden, und auf dem Ozean machten die Franzosen und ihre Piraten noch immer so viele Schwierigkeiten, dass die Engländer Captain Kidd anflehten, wieder in See zu stechen und unter ihnen aufzuräumen. Der Kapitän war, wie schon gesagt, im Ruhestand und ein geachteter Mann. Gerade zu der Zeit war er sogar am Bau der Trinity Church an der Wall Street beteiligt. Doch er willigte ein. »Wobei ich nicht glaube, dass man ihn dazu besonders beknien musste«, sagte der Baas. »Diese alten Seebären werden an Land über kurz oder lang immer rappelig.«
Eines Nachmittags war ich auf dem Weg nach Hause, als mir Hudson entgegenkam. Er sah sehr aufgeregt aus, sagte jedoch nichts. Er kam nur an meine Seite und ging leutselig neben mir her, wie er es oft tat. Und ich legte ihm wie gewöhnlich den Arm um die Schulter. Und wir gingen so nebeneinander her. Und schließlich sagte er: »Captain Kidd will mich mit auf See nehmen.«
Mein Herz fühlte sich in dem Moment wie ein untergehendes Schiff an.
»Du bist zu jung, um an so was zu denken«, sagte ich.
»Ich bin fast sechzehn. Es gibt Schiffsjungen, die weit jünger sind.«
»Der Baas wird es nicht erlauben«, sagte ich und hoffte, dass es wirklich so wäre. »Hast du es denn so eilig, deinen Vater zu verlassen?«, fragte ich ihn.
»Nein!«, rief er aus. Und er legte mir den Arm um den Nacken. »Das ist es nicht. Aber auf See könnte ich das Matrosenhandwerk lernen.«
»Das Piratenhandwerk könntest du lernen«, erwiderte ich. Denn ich hatte schon häufig die Besatzungen dieser Kaperfahrer gesehen und zitterte bei der Vorstellung, dass Hudson womöglich unter solchen Männern leben sollte.
Wir waren kaum im Haus, da rief mich der Baas auch schon zu sich.
»Tja, Quash«, sagte der Baas, »Captain Kidd will Hudson kaufen. Er hat mir ein sehr gutes Angebot gemacht.«
Ich sah nur vom einen zum anderen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Dann fiel ich auf die Knie. Etwas anderes konnte ich nicht tun.
»Schicken Sie ihn nicht auf See, Baas«, sagte ich. »Er ist alles, was ich habe.«
»Er möchte es selbst, das weißt du ja«, sagte der Baas.
»Ich weiß«, antwortete ich ihm. »Aber er weiß nicht, worauf er sich einlässt. Captain Kidd ist bestimmt ein richtiger Gentleman, aber seine Mannschaft … Ein paar von den Leuten, die er anheuert, sind schlicht und einfach Piraten.«
»Du kannst ihn nicht ewig bei dir behalten, Quash«, sagte der Baas.
Meine Gedanken rasten. Ich befürchtete nicht nur, dass Hudson den Gefahren der See zum Opfer fallen könnte, ich hatte auch mächtige Angst, was Captain Kidd mit ihm tun könnte, wenn er ihm erst mal gehörte. Was, wenn er beschloss, meinen Sohn in irgendeinem fernen Hafen zu verkaufen? Was würde dann aus Hudson werden? Ich hatte noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass der Baas ihm eines Tages vielleicht ebenfalls die Freiheit schenkte.
»Vielleicht würde Captain Kidd Sie für Hudsons Dienste bezahlen, auch ohne ihn zu kaufen«, sagte ich. »Sie könnten ihn vermieten. Aber der Kapitän müsste ihn Ihnen später zurückgeben. Dann wäre er auch mehr wert, mit einer Ausbildung als Matrose«, sagte ich. Ich suchte krampfhaft nach einem Ausweg. Ich sah, dass der Baas ein nachdenkliches Gesicht machte.
»Das genügt, Quash«, sagte er. »Du kannst jetzt gehen, und wir reden dann morgen weiter.«
Am Tag darauf entschied der Baas, dass Hudson an Captain Kidd vermietet wurde. Wenigstens dafür konnte ich dankbar sein. Die Ausrüstung des Schiffes würde noch viele Wochen dauern, und diese Zeit war mir sehr kostbar, denn ich befürchtete, dass ich meinen Sohn vielleicht nie wiedersehen würde. Aber ich sagte ihm nicht, was mich beschäftigte, und er war so aufgeregt, dass er, wann immer er mir entwischen konnte, hinunter zum Hafen lief.
Zweifellos machten sich viele Leute Hoffnungen, durch diese Kaperfahrt hohe Gewinne zu erzielen. Nicht nur der Gouverneur, sondern auch mehrere große englische Lords hatten Geld in das Unternehmen gesteckt. Die Leute sagten, dass selbst König Wilhelm heimlich daran beteiligt war.
Das Schiff hieß Adventure Galley und war tatsächlich, wie sein Name verriet, eine Galeere, das
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