Im Rausch der Freiheit
stimmte, aber er schüttelte nur den Kopf; allerdings fragte ich mich, ob er nicht möglicherweise etwas wusste, was er für sich behielt. Aber um ehrlich zu sein, war mir das ziemlich egal. Wichtig war für mich nur, dass ich meinen Sohn wiederhatte und dass er eines Tages frei sein würde. Doch ich hielt mich an das, was der Baas gesagt hatte, und erzählte ihm davon nichts.
*
Nach diesen Erfahrungen mit den Piraten war Hudson nicht besonders wild darauf, wieder rasch auf See zu gehen. Er genügte ihm völlig, mit mir im Haus zu leben; viele Monate lang waren wir rundum zufrieden. In New York ging es gerade sehr friedlich zu. Der Baas besuchte oft Jan und Juffrouw Clara, aber ich merkte, dass er sich am meisten darüber freute, seinen kleinen Enkel Dirk zu sehen.
Im Sommer 1701 erfuhren wir, dass Captain Kidd in London wegen Piraterie hingerichtet worden war. Hudson meinte, der Prozess müsse eine abgekartete Sache gewesen sein, wenngleich er einräumte, dass der Kapitän einen Mann getötet hatte. Der Strick soll zweimal gerissen sein, sodass er erst beim dritten Versuch getötet wurde. Anschließend teerte man seinen Leib und hängte ihn in einem Eisenkäfig über der Themse auf – als abschreckendes Mahnmal für alle Piraten. Um Kidd tat es mir zwar leid, aber es war mir immerhin eine Erleichterung, dass die ganze Kaperfahrerei meinem Sohn dadurch gefährlicher denn je erschien.
Oft vermietete der Baas Hudson, damit er eine Zeitlang für andere Leute arbeitete, und da ich ihn gut ausgebildet hatte, zahlten die Leute recht ordentlich für meinen Sohn. Der Baas gab Hudson davon jedes Mal einen Anteil, sodass er sich etwas beiseitelegen konnte.
Eines Morgens im Oktober schickte mich der Baas mit einem Brief zu dem Mann, der die Rumbrennerei auf Staten Island betrieb. Ich war selten dort und freute mich über den Auftrag. Es gab ein Boot, das vom Kai dorthin fuhr, und wir hatten eine angenehme Überfahrt, quer durch die Bucht zur Anlegestelle in der Nähe des Dorfes, das die Leute die »Altstadt« nannten. Bei den Engländern hieß die Insel übrigens Richmond. Dort gab es zwei große Landgüter, und hier und da sah man auf den flachen Hügeln Bauernhäuser. Ich fand, dass es dort sehr hübsch aussah.
Es war schon später Nachmittag, als ich zurückkehrte. Ich ging den Hafenkai entlang auf dem Weg nach Hause, als ich Hudson sah, der auf mich zugerannt kam.
»Komm schnell!«, rief er. »Der Baas liegt im Sterben!« Beide liefen wir so schnell wir konnten. Im Haus erfuhr ich, dass der Baas, kurz nachdem ich aufgebrochen war, einen Schlaganfall erlitten hatte, den er wahrscheinlich nicht überleben würde. Sofort führte man mich zu ihm. Im Zimmer waren ein Arzt und ein paar Familienangehörige, darunter Clara. Der Baas sah sehr grau aus, und ich merkte, dass er flach atmete. Aber er erkannte mich, und als ich ans Bett trat, versuchte er zu lächeln.
»Auftrag erledigt, Baas«, sagte ich. »Und es tut mir leid, dass Sie nicht besser aussehen.« Er versuchte mir etwas zu sagen, aber es kam nur ein merkwürdiges Geräusch heraus. Doch ich wusste, was es heißen sollte. »Du bist frei, Quash. Du bist frei.« Und obwohl niemand, auch ich nicht, seine Worte verstehen konnte, lächelte ich und sagte: »Ich weiß, Baas. Ich weiß.« Nach einem Moment fiel sein Kopf zurück, und ich sagte: »Machen Sie sich jetzt darüber keine Gedanken, Baas.« Ich ergriff seine Hand. Er runzelte die Stirn und schien zu versuchen, meinen Arm zu schütteln; dann starrte er mir ganz fest in die Augen, und ich wusste, was er wollte. »Ich hab mein Versprechen nicht vergessen, Baas«, sagte ich. »Ich weiß noch, was Sie mir gesagt haben, was ich tun soll.« Daraufhin drückte er meine Hand mit großer Innigkeit.
Die nächsten Stunden hielt er durch. Am frühen Abend war ich mit Hudson auf dem Hof, als Clara mit Tränen in den Augen heraustrat und mir sagte, der Baas habe einen weiteren schweren Anfall erlitten und sei soeben gestorben.
»Ich weiß, dass du ihn geliebt hast«, sagte sie.
»Ja, Juffrouw Clara«, sagte ich. Einerseits war ich traurig, weil der Baas mich ohne Frage mein Leben lang so gut behandelt hatte, wie ein Sklave es sich nur wünschen kann. Aber ein anderer Teil von mir dachte einfach nur an meine Freiheit. Ich wusste nicht, ob der Baas der Familie gesagt hatte, dass ich frei sei, doch ich wusste, dass es in seinem Testament stand, und deswegen machte ich mir keine Sorgen.
*
Das Begräbnis vom Baas war eine
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