Im Rausch der Freiheit
Niederländer!«
»Ich weiß«, sagte Juffrouw Clara.
»Er ist viel jünger als du«, sagte die Herrin.
»Schon viele Frauen in dieser Stadt haben jüngere Männer geheiratet«, konterte Juffrouw Clara. Und sie nannte eine reiche niederländische Dame, die drei junge Ehemänner gehabt hatte.
»Hast du mit dem Dominee gesprochen?«
»Der Pastor hat überhaupt nichts zu sagen. Wir werden in der anglikanischen Kirche getraut werden, von Mr Smith.«
»Anglikanisch?« Die Herrin keuchte förmlich. »Seine Familie wagt es, das zu verlangen? Wenn Jakob Leisler noch diese Stadt regierte, würde es so etwas nicht geben.«
»Es war meine Idee.«
Die Herrin saß einfach nur da und starrte sie an, als könne sie das alles nicht glauben. Dann sah sie den Baas an.
»Wusstest du davon?«
»Ich habe was läuten gehört. Aber Clara ist jetzt über dreißig und Witwe. Sie kann ihre eigenen Entscheidungen treffen.«
Dann wandte sich die Herrin an ihren Sohn und fragte ihn, ob er davon gewusst habe.
»Ich hatte so eine Ahnung«, sagte er.
Als er das sagte, schien die Herrin auf ihrem Stuhl in sich zusammenzusacken.
»Es wäre netter gewesen«, sagte sie leise, »wenn es mir jemand gesagt hätte.«
»Wir wussten es ja nicht mit Sicherheit«, sagte Jan.
»Es ist nicht so schlimm, Greet«, sagte der Baas munter. »Henry ist ein netter Junge.«
»So, Clara«, fuhr die Herrin fort, »du bist also bereit, einen Engländer zu heiraten und deine Kirche zu verlassen. Da findest du nichts dabei?«
»Ich liebe ihn«, erwiderte Clara.
»Das gibt sich«, sagte die Herrin. »Dir ist klar, dass du in einer englischen Ehe weniger Rechte haben wirst?«
»Ich kenne das Gesetz.«
»Du darfst nie deinem Ehemann gehören, Clara. Niederländerinnen sind frei.«
»Ich mache mir da keine Sorgen, Mutter.«
Einen Moment lang sprach niemand ein Wort. Die Herrin starrte auf die Tischplatte.
»Wie ich sehe«, sagte sie endlich, »bin ich meiner Familie vollkommen gleichgültig.« Sie nickte. »Ihr seid alle mit Master im Bunde.« Sie wandte sich zu Juffrouw Clara. »Na dann viel Glück.«
Einige Monate später traute Mr Smith, der englische Geistliche, die beiden. Die Herrin weigerte sich, der Feier beizuwohnen, was keinen weiter überraschte. Viele ihrer niederländischen Freundinnen hätten ähnlich reagiert. Als der Baas heimkehrte, saß sie in der Stube und sah wie eine Gewitterwolke aus. Er wirkte dagegen ganz vergnügt, und ich merkte, dass er ein paar Gläschen getrunken hatte.
»Keine Sorge, meine Liebe«, sagte er. »Man hat dich nicht vermisst.«
*
Ich selbst wäre durchaus glücklich und zufrieden gewesen, hätte mein Sohn Hudson nur nicht zur See gewollt. Ständig lag er mir deswegen in den Ohren, und der Baas unterstützte ihn darin. Mr Master hatte sich bereit erklärt, ihn jederzeit zu nehmen, und nur weil er wusste, dass ich das nicht wollte, und weil Hudson mir als Einziges vom Leben geblieben war, vermietete der Baas ihn nicht an ihn. »Du kostest mich Geld, Quash«, sagte er zu mir, und zwar nicht im Spaß.
Eines Tages kam Mr Master mit einem schottischen Gentleman namens Captain Kidd zu uns zu Besuch. Der Kapitän war früher Kaperer gewesen und hatte später eine reiche niederländische Witwe geheiratet. Er war ein kräftiger Mann und hielt sich sehr aufrecht, hatte ein wettergegerbtes Gesicht, trug aber immer eine schöne Perücke und ein blütenweißes Jabot, dazu einen prächtigen blauen oder roten Rock. Die Herrin nannte ihn einen Piraten; doch weil er jetzt so viel Geld hatte, galt er als achtbarer Mann und stand mit dem Gouverneur und den vornehmsten Familien auf freundschaftlichem Fuß. Mr Master erzählte ihm, dass Hudson die verschiedensten Knoten knüpfen konnte, und forderte den Jungen auf, es ihm vorzuführen, und der Kapitän war sehr beeindruckt.
»Ihr Sklavenjunge da gehört auf See, van Dyck«, sagte er mit seinem schottischen Akzent. »Sie sollten ihn Seemann werden lassen.« Danach saß er in der Stube und erzählte, während Hudson ihm andächtig lauschte, von seinen Abenteuern. Anschließend machte mein Sohn mich einen Monat lang damit verrückt, dass er zur See gehen wollte.
*
In diesem Haus war ich es gewöhnt gewesen, die Familienmitglieder offen miteinander reden zu hören. Falls es etwas Privates zu besprechen gab, schlossen der Baas und die Herrin zwar immer die Tür, bevor sie damit anfingen; aber ansonsten sprach jeder seine Meinung offen aus – besonders während der Mahlzeiten, bei
Weitere Kostenlose Bücher