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Im Reich der Feuergöttin

Im Reich der Feuergöttin

Titel: Im Reich der Feuergöttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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zu erwehren, hob er Oniak kurzerhand auf sie und schwang sich neben ihn. Die Wurzel ächzte unter ihrem Gewicht, hielt aber stand.
    Oniak war alles andere als das, was man sich unter einem Kampfgefährten vorstellen konnte. Nur fünfeinhalb Fuß groß, hatte er eine Haut von lindem Olivgrün, schwarze dichte Augenbrauen und ein knochiges Gesicht. Er war schmächtig und schreckhaft. Jeder seiner Blicke verriet, daß er sich nicht freiwillig für dieses Unternehmen zur Verfügung gestellt hatte. Ein schlimmer Verdacht keimte in Mythor auf, als er ihn unauffällig aus den Augenwinkeln heraus beobachtete, wie er zitternd neben ihm saß.
    „Wovor hast du Angst?“ fragte Mythor, der bisher keine Gelegenheit gehabt hatte, sich mit Oniak zu unterhalten. „Doch nicht nur vor dem Dschungel?“
    Oniaks Antwort bestätigte das Unglaubliche:
    „Dann weißt du nicht, warum ich mit dir gehen soll, Honga? Um der Göttin geopfert zu werden. Du wirst mich ihr als Köder vorwerfen, um sie dann leichter töten zu können.“
    Oniaks Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, und der kleine Mann vermied es, den Helden anzusehen.
    Bestürzt schüttelte Mythor den Kopf.
    „Das kann ich nicht glauben!“
    „Es ist so. Es wurde schon so bestimmt, als ich von den Tau gefangengenommen wurde.“
    „Woher kommst du, Oniak?“
    „Von jenseits der Großen Barriere, wo…“
    Bevor er zu Ende reden konnte, hörte das Beben auf, und ein leichter Wind trug den letzten Schnee und die schwefelhaltige Luft davon. Die beiden Frauen riefen den Kriegern Kommandos zu und bedeuteten Mythor, weiterzugehen.
    Mythor biß die Zähne aufeinander und half Oniak von der Wurzel herab. Der Grünhäutige setzte sich in Bewegung, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres für ihn, als sich opfern zulassen.
    Mythor spielte seine Rolle als Honga. Schweigend setzte er sich an die Spitze des Zuges, ließ das Gläserne Schwert kreisen, durchschlug Dornenranken und Lianen, die den Jägerpfad überwuchert hatten. Doch in ihm arbeitete es. Mit grimmiger Befriedigung stellte er fest, daß einige der kleinen Bestien, die sich nun wieder aus dem Dickicht schoben, beim klagenden Laut der Klinge flohen. Die Frauen und Krieger stießen Laute grenzenloser Überraschung aus. In plötzlichem Zorn schlug Mythor mit Alton um sich. Sollten sie ihn und sein Schwert fürchten! Sollten sie lernen, was Angst war!
    In Hongas Erinnerungen fand er nichts, das ihm einen Hinweis auf die Oniak zugedachte Rolle gab. Also war auch Honga ahnungslos gewesen. Was gab es noch, das Loana vor ihm verborgen hatte?
    Wer war die Feuergöttin wirklich? Auch darüber sagte ihm Hongas Erinnerung nichts. Die Tau hatten eine der Ihren auserwählt, um die Kräfte aus dem Innern der Welt gegen die Dämonen zu lenken. Das war fast schon alles, was er wußte.
    Mythor folgte dem Pfad. Hinter ihm ging Oniak, dem im Gänsemarsch die Krieger und die beiden Frauen folgten. Luftwurzeln fielen unter Altons Schlag und rissen Dornenranken mit sich. Mythors Schwertarm war in ständiger Bewegung, sein Blick überall. Manchmal erschienen die Büsche ihm vertraut, ähnliche gab es in den ihm bekannten Teilen der Lichtwelt, obwohl hier fast alle Blätter grau und farblos waren. Andere hatten dickfleischige, purpurrot leuchtende Blüten, aus denen sich ihm Zungen und Fangarme entgegenstreckten. Die Bäume hatten gewundene Äste, die sich steil in den Himmel schraubten, und auf denen abscheuliche graue Kreaturen hockten. Dornenranken peitschten über den Pfad und rissen Mythors Haut an Armen und Beinen auf. Er ertrug den Schmerz, schlug nach allem, was sich bewegte, und doch ließ sein Zorn nicht nach. Mythor war schon jetzt entschlossen, Oniaks Opfertod zu verhindern. Hongas Wissen sagte ihm, daß die Krieger beim Drachenfelsen zurückbleiben würden - nicht, wie er von dort aus den Wassergraben des Ringsees überqueren und zum Vulkan gelangen sollte.
    Er drehte sich im Gehen um und winkte eine der beiden Frauen zu sich. In diesem Moment war es ihm gleichgültig, ob ihm das zustand oder nicht. Nura kam heran, während Kauna hinten bei den Kriegern blieb.
    „Wie komme ich zum Krater?“ fragte er. In den Augen der Tau blitzte es auf, dann sah sie an Mythor vorbei.
    „Ein Drache wird dich zum Gipfel hinauftragen“, sagte sie.
    Mythor glaubte, sich verhört zu haben.
    „Ein Drache?“
    „Du stellst schon wieder zu viele Fragen, Honga!“ fuhr sie ihn an. Doch sie konnte nicht die Scheu verhehlen, die sie vor ihm empfand.

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