Im Reich der Löwin
heftig aufeinanderschlugen, versuchte sie, kleine Schlucke aus dem Gefäß zu trinken, das einer der herbeigerufenen heilkundigen Mönche an ihren Mund führte. Mit wenigen knappen Worten hatte der Heiler sofort nach seiner Ankunft befohlen, das Feuer in dem offenen Kamin zu schüren, die Kranke in eine halb aufgerichtete Position zu bringen und sie zu schröpfen. Zudem hatte er ihr einen Trank verabreicht, der sie innerhalb weniger Minuten dazu gebracht hatte, das Gift, das sie auf unerklärliche Weise zu sich genommen hatte, wieder von sich zu geben. »Wenn das Mädchen nicht so schnell reagiert hätte, wäret ihr bereits tot«, stellte er nüchtern fest, als Berengaria erschöpft seine Hand zur Seite schob. »Und wenn Ihr diesen Trank nicht bis zur Neige leert, kann die Tollkirsche in Eurem Körper immer noch erheblichen Schaden anrichten«, warnte er und zwang sie, erneut einen tiefen Schluck des bitteren Gebräus zu nehmen. Als sie seinem Befehl Folge geleistet hatte, sank sie ermattet in die Kissen zurück und schloss die bleiernen Lider.
»Selbst wenn sie wieder vollständig genest«, sagte der Mönch an Aliénor von Aquitanien gewandt, die neben Catherine of Leicester, Isabel de Clare – der Gattin William Marshals – und Jeanne de Maine in dem Gemach anwesend war, »wird sie niemals wieder Kinder bekommen.« Mit einem traurigen Kopfschütteln und einer tiefen Verbeugung verabschiedete er sich von den Damen. Diese verließen nach kurzem, betretenem Schweigen ebenfalls die Schlafkammer der englischen Königin, um auf die Treppe ins Untergeschoss zuzusteuern. Während Isabel de Clare der alten Dame den Arm bot, ließen sich Catherine und Jeanne ein wenig zurückfallen, um flüsternd ihre Ansicht über den Vorfall auszutauschen. »Ich wette, John Lackland hat etwas mit der Sache zu tun«, zischte Catherine, deren Augen sich kaum merklich verengten. »Ich traue ihm nicht.« Jeanne, die mit den Gedanken nur halb bei der Sache war, nickte zustimmend. Doch trotz des Mitleids, das sie für die leidende Berengaria von Navarra empfand, kehrten ihre Gedanken immer wieder zu der Begegnung mit dem Grafen von Blois zurück, dem sie kurz vor dem Aufbruch der Männer nach Louviers vorgestellt worden war. Bereits in Rüstung, den Helm unter dem Arm, hatte Richard Löwenherz den gutaussehenden jungen Mann in die Halle geführt, in der außer Aliénor von Aquitanien, ihr selbst und einigen Hofdamen noch der Sänger Blondel zugegen gewesen war. Wie zwei unmündige Kinder hatte er die jungen Leute in eine Ecke geschoben, in der Jeanne zuerst peinlich berührt ihre Zehen gemustert hatte, bevor sie gewagt hatte, dem Grafen in die braunen Augen zu blicken. Was die Sache noch schlimmer gemacht hatte, war, dass Löwenherz den vor Zorn totenblassen Roland gezwungen hatte, ihn zu begleiten und den Viehhandel zu beobachten.
»Ihr seid sehr schön«, hatte der zwanzigjährige Ludwig von Blois wenig geistreich bemerkt, ehe er sich in einen Bericht seiner letzten Heldentat geflüchtet hatte, der Jeanne zu Tode gelangweilt hatte. Möglichst unauffällig hatte sie sich bemüht, ihren Standort so zu verändern, dass sie Roland im Auge behalten konnte, während das selbstgefällige Geschwätz ihres zukünftigen Gemahls an ihr abgeperlt war wie Regentropfen vom Gefieder eines Wasservogels. Wenn es nach Richard Löwenherz ging, sollte sie diesem Langweiler bereits im März zugeführt werden. Doch wenn er sie nicht in Ketten vor den Altar zerren wollte, konnte er warten, bis er schwarz wurde! Wenn nötig, würde sie aus Poitiers fliehen und in einem Kloster Zuflucht suchen, bis sich die Wogen geglättet hatten und der Zorn des Königs verraucht war. »Du hörst mir ja gar nicht zu!«, beschwerte sich Catherine und versetzte ihr einen leichten Stoß in die Rippen. »Wann wirst du mir endlich die Wahrheit sagen?« In ihren Augen lag der Hauch eines Vorwurfes. Während Isabel und die Königinmutter bereits den ersten Treppenabsatz erreicht hatten, ließen sich die beiden jungen Frauen noch weiter zurückfallen. »Jeanne«, flüsterte Catherine. »Ich weiß, dass du nicht mehr unschuldig bist.« Als die Freundin ihr mit einem erschrockenen Keuchen den Kopf zuwandte, legte sie beruhigend die Hand auf ihre Schulter. »Bei mir ist jedes deiner Geheimnisse sicher«, wiederholte sie ihr altes Versprechen. »Aber was, wenn der König von eurem Abenteuer erfährt?« Mit einem tiefen Seufzer zuckte Jeanne die Achseln. »Er hat Roland gedroht, ihn
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