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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zu Lady Marian auszuräumen – hatte der Freund ihm doch voller Stolz geschrieben, dass seine Gattin ein Kind von ihm erwartete. Nicht nur würde sie von nun an ihren leichtlebigen Gemahl am kurzen Zügel halten. Sie würde auch Catherine Gesellschaft leisten und sich mit ihr an den Fortschritten der Kinder erfreuen können, die Harold selbst nicht allzu oft zu Gesicht bekommen hatte. Meist kümmerte sich die Amme um die beiden Wirbelwinde. Und in den wenigen Momenten, die dem Earl of Leicester mit seinen Sprösslingen vergönnt gewesen waren, hatten sich diese scheu und ängstlich gezeigt. Kein Wunder, wenn ihr Vater nie zu Hause war, dachte er traurig. Wenn dieser Krieg zu Ende war, würde er sich eigenhändig um die Erziehung seines Sohnes kümmern, der ohne die väterliche Hand zu einem ungebändigten Wildfang zu werden drohte.
    Als er den Treppenabsatz erreicht hatte, verdrängte der erneut in ihm aufsteigende Zorn über die Berichte Robins die Gedanken an seine Familie. Den Gerüchten zufolge, welche der Freund ihm hatte zukommen lassen, steckte Guillaume hinter einem in London schwelenden Aufstand, der kurz davor war auszubrechen. Nicht nur bediente er sich dabei Robins Namen, er hatte auch bestochene Steuerbeamte nach Huntingdon und Leicester geschickt, um FitzGerald und Alan den Steward einzuschüchtern und nicht unbeträchtliche Geldsummen von ihnen zu erpressen. Da diese davon ausgingen, dem Befehl der Krone zu folgen, hatten sie keinerlei Veranlassung gesehen, Harold davon in Kenntnis zu setzen, da dieser ihnen für solcherlei Belange freie Hand gelassen hatte. »Was für eine Schlange!«, hatte Harold gewütet, als er die Nachricht zu Ende gelesen hatte. Offenbar würde er sich früher oder später selbst um das Problem kümmern müssen, das sein Halbbruder darstellte, bevor dieser sich unrechtmäßig seinen halben Besitz ergaunerte! Und wenn Guillaume so weitermachte wie bisher, würde er damit sogar dem König einen Gefallen erweisen. Denn auch Löwenherz hatte inzwischen Kunde von den zunehmenden Übergriffen in der Hauptstadt Englands erhalten: Hubert Walter hatte kurz nach Weihnachten einen Boten nach Poitiers gesandt, um Klage gegen FitzOsbern – den offiziellen Rädelsführer der Aufrührer – zu erheben. »Richtet ihm aus, er soll sich selbst um diese Angelegenheit kümmern«, hatte Löwenherz dem Ritter ungehalten geantwortet. »Ich habe keine Zeit für solche Kleinigkeiten!« Womit er den Mann ohne weitere Worte entlassen und sich wieder den Feiertagsaktivitäten zugewandt hatte.
    Kaum hatte Harold die Eingangshalle betreten, als die nur mühsam beherrschte Stimme seines Lehnsherrn an sein Ohr drang. Mit geneigtem Haupt – sodass er seiner über eineinhalb Köpfe kleineren Mutter direkt in die Augen blicken konnte – wies Richard Löwenherz auf einen jungen Mann, dessen hochgewachsene Gestalt sich imposant vor dem hellen Stein der Mauern abzeichnete. Das kühn geschnittene Profil des dunkelhaarigen Besuchers wurde unterstrichen von einem perfekt gestutzten Kinnbart, der die energische Linie seines Kiefers betonte. Dem Wappen auf seinem Umhang nach zu urteilen, handelte es sich um einen Spross des französischen Königshauses, eine Tatsache, die Harold nicht wenig verwunderte. »Er ist ein Geck«, zischte Aliénor mit einem Blick auf den Rücken des Burschen, woraufhin Richard ihr schwer die Hände auf die Schultern legte. »Ich dachte, du wärest für diese Verbindung«, brummte er missfällig. »Immerhin ist er dein Enkel.« Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln wies seine Mutter diese Bemerkung zurück. »Wer hätte schon ahnen können, dass aus ihm solch ein eingebildeter Pfau wird. Das arme Kind!« Als er Harolds Gegenwart gewahr wurde, gab Richard seinem Earl mit einem diskreten Blick zu verstehen, dass er im Hof auf ihn warten solle. Und das Letzte, das dieser vernahm, als auch er durch die hohe Flügeltür in den vereisten Hof trat, war Richards ungehaltene Antwort: »Sie heiratet ihn oder keinen! Ansonsten geht sie ins Kloster.«

Paris, Anfang Januar 1196
     
    »Was sagt Ihr da?« Erstaunt und erfreut zugleich legte Philipp von Frankreich den Kopf zur Seite. »Das ist ja höchst interessant!« Mit einer einladenden Geste gab er dem jungen Grafen von Ponthieu zu verstehen, dass er sich aus der tiefen Verneigung erheben konnte. Und als dieser den Blick zu dem – auf seinem Thron recht verloren wirkenden – Philipp von Frankreich hob, strahlte der französische König ihn mit einer

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