Im Rhythmus der Leidneschaft
sie an. „Du meinst die Kolumnen und Artikel in Zeitschriften und Zeitungen? Auch die kann man nur verfassen, wenn man sich voll und ganz darauf konzentriert. Selbstdisziplin und Ehrgeiz braucht man ebenfalls, auch wenn die Geschichten in die Rubrik Unterhaltung fallen.“
„Mir ist klar, dass Neugierde zur menschlichen Natur gehört, aber stört es dich nicht, ständig deine Nase in die Privatangelegenheiten anderer zu stecken?“
„Wo ziehst du die Grenze zwischen privat und öffentlich? Durch deine Wohltätigkeitsarbeit bist du zur öffentlichen Person geworden, genau wie durch die Scheidung.“
„Das Beispiel passt gut, denn genau dort ziehe ich die Grenze. Natürlich will ich, dass mein Anliegen, Gelder zu sammeln, öffentlich gemacht wird. Aber meine Scheidung?“ Entnervt strich sie sich durchs Haar. „Wen geht es etwas an, was ich bei meinen Besuchen im Schönheitssalon habe machen lassen? Gibt es überhaupt kein Gefühl für Ethik mehr? Gelten die früheren Spielregeln in Zeiten von You Tube und Internet-Blogs nicht mehr? Ich will nicht, dass in der Presse über meine Körperhygiene berichtet wird.“
„Du ziehst die Grenze da, wo es dir persönlich passt.“
„Die Medien kennen überhaupt keine Grenze mehr.“
„Einige Journalisten schon.“
„Und du? Gehörst du zu diesen Journalisten?“
Mit der Antwort ließ er sich mehr Zeit, als sie gedacht hätte.
„Ich war nicht immer so.“ Seine Stimme klang rau. „Nach meinem Studienabschluss wollte ich mit meiner journalistischen Arbeit den ganzen Planeten vor der globalen Erwärmung retten, die Welt von Armut, Hunger oder religiöser Unterdrückung befreien. Aber jedes Mal, wenn es irgendwo etwas Sensationelles gab, war ich gerade auf einem anderen Kontinent oder anderweitig verpflichtet. Immer zur falschen Zeit am falschen Ort. Was ich zu berichten hatte, wollte niemand lesen. Und dann kam Delano Wise.“
„Der Countrystar? Del Wise? Du kennst ihn?“ Miranda schnappte nach Luft. Sie erinnerte sich gut daran, wie der Sänger praktisch über Nacht berühmt geworden war. „Was hat Del Wise mit deinem beruflichen Werdegang zu tun?“
„Wir sind zusammen aufgewachsen, haben als Kinder im selben Verein Baseball gespielt, zusammen heimlich die erste Zigarette geraucht, uns beide übergeben und das erste Bier getrunken. Damals waren wir zwölf. Als er später kurz vor dem Durchbruch stand, habe ich alle meine Verbindungen genutzt, um ihn in die Medien zu bringen. Je berühmter er wurde, desto stärker habe ich ihn unterstützt.“
„Dann hat es mit Del angefangen, und jetzt bist du hier, um über Ravyn und Ted zu berichten. Du hast deinem Freund geholfen, indem du über ihn statt über die globale Erwärmung geschrieben hast.“
„So ungefähr.“ Er trank einen Schluck und stellte das Glas weg.
„Muss aufregend sein, wenn man darüber entscheiden kann, wer Karriere macht und wer nicht, indem man über ihn schreibt oder es lässt.“
„Alles Sensationelle verkauft sich gut. Und wenn man oft genug etwas schreibt, was mit Sex zu tun hat, bist du schlagartig die beste Quelle für alle neuen Gerüchte.“
„Und seit wann hast du deine Grenzen entdeckt? Es klang so, als sei dieses Kapitel deines Lebens beendet. Oder bist du jetzt auch darauf aus zu erfahren, an welchen Körperstellen ich mich enthaaren lasse?“
„Ganz sicher nicht.“
„Dein Glück, denn dann würde ich mich nicht mit dir treffen. Und das wäre sehr schade, denn es würde mir richtig fehlen.“
„Mir auch.“ Lächelnd stand er auf und hielt ihr die Hand hin, um ihr hochzuhelfen. „Sehr sogar. Also: Zu mir oder zu dir?“
Caleb folgte Miranda zu ihrer Garderobe, weil sie ihre Sachen holen wollte, bevor sie mit ihm auf sein Zimmer ging. Obwohl er es nachvollziehen konnte, gefiel ihm die Verzögerung überhaupt nicht.
Er wollte mit Miranda ins Bett. All diese Gefühle, die in ihm tobten, wollte er mit Sex verdrängen. Miranda brachte ihn dazu, über die Entscheidungen nachzudenken, die er in seinem Leben getroffen hatte. Sie ließ ihn zweifeln, ob diese Entscheidungen immer die richtigen gewesen waren, und er fragte sich, wieso er diesem Rausch der Macht nachgegeben und die Grenze überschritten hatte. Gefühle verunsicherten ihn. Da waren ihm Fakten lieber, denn Fakten waren einfach. Gefühle dagegen waren verworren und machten alles kompliziert.
Andererseits hätte er, wenn er seine Gefühle nicht ignoriert hätte, wahrscheinlich auch nicht aufgehört, an die
Weitere Kostenlose Bücher