Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
wurde bei dem Gerichtsverfahren nicht beachtet, und der Fährkapitän bekam eine lebenslange Gefängnisstrafe.
Acht Jahre später wurde das Verfahren wieder eröffnet. Hierbei sagte ein Entomologe aus, dass an einem Septemberabend um sechs Uhr in Ungarn keine Schmeißfliegen aktiv sind. Außerdem betonte er, dass das Vorhandensein von Larven auf der Leiche bedeutete, dass die Eier am Tag der Obduktion nicht hätten gelegt werden können: Die Larven hätten nämlich nicht genügend Zeit gehabt, um zu schlüpfen. Die Eier müssten demnach bereits am Vortag vor sechs Uhr abend gelegt worden sein, also ehe der Kapitän noch die Fähre betreten hatte. Der Kapitän wurde daraufhin für unschuldig befunden und freigelassen.
Neben der Feststellung des Todes und der Schätzung der Todeszeit hat sich der Gerichtsmediziner noch am Tatort zu weiteren Fragestellungen zu äußern. Diese betreffen:
• äußere Verletzungen an der Leiche mit eventuellen Hinweisen auf ein Tatwerkzeug. Es ist ja für weitere Ermittlungen wesentlich, sofort zu entscheiden, ob ein rundliches Loch in der Haut eine Schuss- oder Stichverletzung ist,
• Spurensuche, etwa bezüglich der Frage, ob der Auffindungsort auch der Tatort ist,
• Rekonstruktion des Tatherganges,
• laufende Diskussion der Befunde mit den Kriminalisten,
• Spurensicherung zur späteren genaueren Analyse, z. B. Blutspuren, Sperma, Haare oder sonstiges Material, welches für eine DNA-Typisierung geeignet ist.
Allgemein gilt, es können Fotografien, Aufzeichnungen und Materialgewinnung nicht gründlich genug sein. Es ist viel leichter, Unnötiges wieder wegzulassen, als Unterlassenes nachzuholen. Sehr nützlich kann sein, den Tatort am nächsten Tag noch
einmal aufzusuchen. Man erkennt daraus, dass der Arzt eigentlich der Erste sein sollte, der am Tatort eintrifft, und der Letzte, der denselben wieder verlässt. Ganz im Gegensatz zu den kriminalistischen Märchengeschichten, die uns im Fernsehen aufgetischt werden.
Wie gelingt ein perfekter Mord? Tipps vom Experten
Keineswegs alles, was zur Tötung eines Menschen führt, gilt als Mord. In einer der ältesten Vorschriftensammlungen für zwischenmenschliches Verhalten, in den Zehn Geboten des Alten Testamentes (etwa 900-550 v.Chr.) steht zwar noch lapidar: »Du sollst nicht morden« 7 . Eine Erläuterung, welche Tat als Mord gilt, wird nicht gegeben. Der Katechismus, d. h. die Lehrmeinung der katholischen Kirche hat daraus den Satz gemacht: »Du sollst nicht töten.« Das ist aber nicht dasselbe.
In Mitteleuropa wird meist nicht nach der Bibel, sondern entsprechend dem Strafgesetzbuch geurteilt. Und dort sind die Aussagen schon differenzierter.
Mord: »Wer einen anderen tötet, ist … zu bestrafen.« Freiheitsstrafe von 10 Jahren bis lebenslänglich. Mord ist also nicht gleich Mord und wird unterschiedlich geahndet.
Totschlag: »Wer sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lässt, einen anderen zu töten, ist... zu bestrafen.« Freiheitsstrafe von 5 bis 10 Jahren. Totschlag ist also eine Gemütssache
Fahrlässige Tötung: »Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist… zu bestrafen.« Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Fahrlässigkeit heißt, der Täter denkt entweder gar nicht an die tödliche Gefahr seines Handelns oder er denkt sich, es wird schon nichts passieren.
Im US-Strafrecht lauten die Delikte ganz anders:
First degree murder: d. h. Mord ersten Grades: geplanter, vorsätzlicher Mord
Second degree murder: d. h. Mord zweiten Grades: vorsätzliche Tötung eines Menschen ohne Planung und Vorbereitung.
Manslaughter: vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge.
Sowohl das profane wie auch das religiöse Gesetz verschweigen, dass es vorsätzliche Tötungsdelikte gibt, die ungestraft bleiben, ja sogar belobt werden. Seit vielen Jahrzehnten segnen Priester sowohl die Soldaten wie auch deren Waffen, verbunden mit dem Auftrag, die Menschen der Gegenseite möglichst rasch und wirksam zu vernichten. Nach getaner Tat gibt es häufig sogar einen profanen Orden zur Belohnung. Die katholische Kirche hat übrigens auch nichts gegen die Todesstrafe einzuwenden.
Grundregeln für einen perfekten Mord
Perfekt ist ein Mord dann, wenn er nicht als solcher erkannt und daher auch nicht weiter untersucht wird. Die Häufigkeit ist nicht gering und kann nur geschätzt werden. Die Anzahl liegt in der Bundesrepublik Deutschland wahrscheinlich zwischen 100
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