Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
nicht statt. Einflussreiche Freunde der Hitlerbewegung verhinderten dies.
Die den Nationalsozialisten feindlich gesinnte sozialdemokratische Zeitung »Münchner Post« wusste Details. Unter dem Titel » Eine rätselhafte Affäre: Selbstmord von Hitlers Nichte« war zu lesen:
»... Am Freitag, dem 18. September, gab es wiederum einen heftigen Streit zwischen Herrn Hitler und seiner Nichte. Was war der Grund? Die lebhafte 23-jährige Musikstudentin Geli wollte nach Wien fahren. Sie wollte sich verloben. Hitler war strengstens dagegen. Die beiden hatten ständige Auseinandersetzungen darüber. Nach einer heftigen Szene verließ Hitler seine Wohnung. Am Samstag wurde berichtet, dass Fräulein Geli erschossen in der Wohnung aufgefunden wurde. Sie hatte Hitlers Pistole in der Hand. Die Nase der Toten war gebrochen. Und die Leiche wies andere schwere Verletzungen.« Daraufhin veranlasste die Staatsanwaltschaft den Dr. Müller zur Präzisierung seines Befundes: »Im Gesicht, besonders an der Nase waren keine Verletzungen, verbunden mit irgendwelcher Blutung, feststellbar. Im Gesicht fanden sich lediglich ausgeprägte dunkel-livide Totenflecke, die davon herrührten, dass Raubal mit dem Gesicht zu Boden verschied und in dieser Lage 17-18 Stunden liegen blieb. Dass die Nasenspitze leicht platt gedrückt war, ist lediglich eine Folge dieses stundenlangen Aufliegens des Gesichts am Boden...«
Obwohl die Polizei Fremdverschulden ausschloss, entstanden jene Klatsch-Versionen, die an den Stammtischen, aber auch in Geschichtsbüchern immer wieder aufgewärmt wurden: Hitler als Mörder in einem Wutanfall, SS-Männer als Killer, um eine für die Partei brenzlige Situation zu bereinigen. Geli als Geschwängerte, wahlweise von Hitler, einem jüdischen Musiklehrer oder einem Linzer Maler.
Die Mutter, Angela Raubal, ließ die Leiche Gelis nach Wien überführen. Das Begräbnis fand am Nachmittag des 23. September 1931 auf dem Wiener Zentralfriedhof statt. Geli wurde in der Notgruft Linke Arkade Nr. 9 gegenüber der Karl-Lueger-Gedächtniskirche beigesetzt. Bei einer Notgruft handelt es sich um eine Grabstelle der Stadt Wien, die für die zwischenzeitliche Beisetzung von Verstorbenen auf bestimmte Zeit gemietet werden kann, falls das endgültige Grab noch nicht zur Verfügung steht. Hitler hielt es nämlich nicht für notwendig, für die geliebte Geli eine Grabstätte anzukaufen oder einen Grabstein errichten zu lassen. So blieb der Sarg mit den sterblichen Überresten der Angela Raubal in der Notgruft der Gemeinde Wien. Zunächst schickte man noch das Entgelt für die Benutzung des Provisoriums. Ab Januar 1938 stellte man sogar das ein.
Am 11. März 1946 wurde Geli dann »bestimmungsgerecht« aus der Notgruft exhumiert und in einem Reihengrab bestattet. Mit 31. Dezember 1966 wurde diese Grabanlage aufgelassen. Heute ist dort eine Grünfläche.
Wer war Geli Raubal?
Dr. Ernst Hanfstaengl, damals Auslandspressechef der NSDAP und dem engeren Kreis um Hitler angehörend, schrieb:
»... Während Geli, inzwischen zu einer etwas mollig geratenen Zweiundzwanzigjährigen herangewachsen, nach München übersiedelt
war, um, wie es hieß, an der Universität Vorlesungen zu hören. Mit welchem Themenkreis sich die von Geli belegten Vorlesungen beschäftigten, habe ich schon damals nie in Erfahrung gebracht, da ich die Version eines ernsthaften Studiums von vornherein als wenig glaubwürdig empfand. Schließlich hatte ich ja Fräulein Raubal bereits um die Wende 1923/24 in Wien als junges Mädchen kennen gelernt, das nicht den Eindruck machte, als könne ihr Intelligenzquotient noch wesentlich gesteigert werden.
So wenig anspruchsvoll sie sich in der Wahl ihrer Verehrer zeigte, so gering entwickelt war auch ihre Zurückhaltung in der Gewährung entsprechender Gunstbeweise. Obwohl Emil Maurice, Hitlers Chauffeur und Leibwächter, sich des Vorzugs rühmen konnte, ihr ständiger Liebhaber zu sein, ging Geli anderen Männerbekanntschaften keineswegs aus dem Wege, sobald sich ihre offenbar rege entwickelte sinnliche Präsenz angesprochen fühlte. Das führte begreiflicherweise gelegentlich zu recht ungemütlichen Situationen. Weitaus bedenklicher erschien mir ihr gelegentlich zu beobachtendes kaltschnäuziges - um nicht zu sagen - feindseliges Verhalten Hitler gegenüber in der Öffentlichkeit, das ich mir nur mit einer wachsenden Antipathie gegen die ihr von ihrem Onkel aufgenötigte Partnerschaft erklären konnte. Und dass es hierfür bereits
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