Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
immer, wenn er bei den Wagner-Festspielen im Hause »Wahnfried« wohnte, Leberknödel, weil sie von der dortigen Köchin so hervorragend zubereitet wurden. Auf dem Obersalzberg hat er die von seiner Schwester zubereiteten Leberknödel ebenfalls gegessen. »Ich glaube, das ist der einzige Kompromiss, den meine allen Kompromissen abgeneigte Natur zulässt.«
Ilse, die Ehefrau von Rudolf Heß soll wenige Tage nach dem Tod Gelis ausgerufen haben: »Plötzlich! Er aß vorher Fleisch. Es ist schwer zu verstehen oder zu erklären.« Hitler war Vegetarier geworden.
Wie sehr die Geschichte um Geli Raubal einem Märchen gleicht, soll eine letzte Anekdote verdeutlichen.
Als Erklärung für das plötzliche Umschwenken zum Vegetarier wurde kolportiert: Nach der Überbringung der Todesnachricht an Hitler, der auf dem Wege nach Nürnberg war, kehrte dieser sofort nach München zurück und erreichte, was völlig gegen jede ärztliche Übung war, seine Teilnahme an der Obduktion der Nichte. Er war also zugegen, als der Frauenkörper geöffnet und untersucht wurde. Selbst wenn er aus dem Kriege den Anblick von Blut und zerfetzten Menschen gewohnt war, musste er hier doch ganz besonders berührt gewesen sein.
Dies wäre eine plausible Erklärung für Hitlers Vegetarismus. Nur stimmt sie nicht, da keine Obduktion stattfand. In den erhalten gebliebenen Journalbüchern des Institutes für Gerichtliche Medizin in München aus den Jahren 1930-1935 ist der Name »Geli Raubal« nicht angeführt.
Die Geschichte als solche wäre doch zu schön gewesen: Zuerst Sex mit der Nichte, dann Leberknödel allein.
Ein unrichtiges Totenbeschauprotokoll aus Staatsräson
Es gibt kaum einen Fall der Kriminalgeschichte, bei dem von allerhöchster, offizieller Seite so viel vertuscht und verschleiert wurde wie beim Doppelselbstmord von Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera am 30. Januar 1889 in Mayerling. Vor allem musste das Mädchen weg, es durfte offiziell keine Verbindung zwischen den beiden geben. Das Verfahren der kaiserlichen Behörden mit dem zweiten Leichnam in Mayerling war dermaßen makaber und grotesk, dass wir es heute kaum begreifen können. Am 31. Januar ließ der Ministerpräsident Graf Taaffe den Polizeipräsidenten, Baron Krauß, zu sich kommen. Krauß schrieb darüber in seine Hand-Akte: »Er sagte mir, ich solle mich zum Grafen Bombelles 10 begeben und mit ihm besprechen, in welcher Weise die Entfernung der Leiche der Vetsera und deren Beerdigung in Heiligenkreuz stattzufinden hat. Es sei nämlich keine Vergiftung erfolgt, sondern es habe wahrscheinlich der Kronprinz zuerst die Vetsera und dann sich selbst erschossen...« Um die zivilen Behörden auszuschalten, hatte der Hof erklärt, dass das Schloss Mayerling in kaiserlichem Besitz und damit exterritorial sei, und der Leibarzt des Kronprinzen, Dr. Franz Auchenthaler, wurde beauftragt, einen Selbstmord Marys zu bestätigen. Dieser Dr. Auchenthaler verfasste auftragsgemäß ein Totenbeschauprotokoll, das nicht der Wahrheit entsprach:
... Am 30. Jänner 1889 morgens wurde im Gemeindegebiet Mayerling ein weiblicher Leichnam aufgefunden. Der Herr Leibarzt Dr. Franz Auchenthaler constatirt zweifellos Selbstmord mittels Schusswaffe.
»An dem linken Stirnwandbeine befindet sich ein 5 cm langer, 3 cm breiter lappiger Substanzverlust der Haut, in dessen Umgebung die Haare versengt sind; es ist dies also die Eintrittsöffnung des Projektils. Der Schusskanal geht quer durch das Gehirn und endet 2 cm ober dem äußeren rechten Gehörgang, hier eine schmale kantige Ausschussöffnung bildend. Die Knochen um Ein- und Ausschuss sind ringsherum zersplittert, ebenso auch die Schädeldecke. Sonst ist keine Verletzung wahrzunehmen. Die Verletzung ist absolut tödlich und musste der Tod augenblicklich eingetreten sein. Am Rücken und an den unteren Extremitäten befinden sich zahlreiche Totenflecken. …«
Die Tote wurde, so weit es infolge der Leichenstarre ging, bekleidet und man setzte ihr sogar einen Hut auf. Sie wurde aufrecht sitzend zwischen ihren Onkeln in einen Fiaker platziert; damit sie nicht umkippte, steckte man ihr einen Stock ins Kleid. Dies sollte den Anschein erwecken, als ob eine lebende Dame abreise. Es ist allerdings völlig unverständlich, wen man damit täuschen wollte, denn außer der Hof-Kommission und dem Schlossverwalter war niemand anwesend, und die wussten alle Bescheid. In der Nacht zum 1. Februar wurde der Leichnam Marys auf diese Weise auf den Friedhof von
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