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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Giuliano nichts. Ein Gast musste nur ein Mal hier gewesen sein, und er erkannte ihn oder sie Wochen später wieder. Ein Kopfnicken genügte, und Adolfo wusste, ob er den Neuankömmlingen einen Tisch vorne im Restaurant anweisen sollte, wo die prominentere Kundschaft saß, oder sie besser nach Sibirien verbannte, neben der Küche oder der Treppe zu den Toiletten.
    »Vor zwei, drei Tagen. Es war schon spät, kurz vor Mitternacht.«
    »Vor zwei oder vor drei Tagen?«, hakte ich nach. Wenn es vor zwei Tagen war, hätte er wenige Stunden vor dem Überfall auf Annika Jelt hier gesessen.
    »Fenton.« Giuliano ging zur Bar und redete im Flüsterton mit dem Barkeeper, der kurz nachdachte und dann mit den Schultern zuckte.
    »Er ist sich ziemlich sicher, dass es vorletzte Nacht war«, sagte Giuliano, als er wieder an unseren Tisch kam. »Vor drei Tagen hatte Fenton frei, aber er erinnert sich auch an den Typ.«
    »Kennen Sie die Leute, mit denen er hier war?«
    »Drei Männer. Möglicherweise Investmentbanker. Sie wissen schon. Zwei davon hingen die ganze Zeit am Handy und redeten über Deals und Marktdaten. Geld, Geld, Geld. Kein Wort über Weiber – nur Geld. Und sie schmissen mit Barem nur so um sich.« Giuliano beschrieb ihre Manieren und Klamotten, bis hin zur Marke ihrer Golduhren. »Keine Stammgäste. Vielleicht kennt Fenton sie.«
    Er winkte den Barkeeper an unseren Tisch. Aber auch Fenton wusste nicht, wer sie waren.
    »Sie haben keinen von den dreien schon mal gesehen? Hat einer von ihnen mit Kreditkarte bezahlt?«
    »Zwei von ihnen legten Einhundertdollarscheine auf die Bar. Ich habe sie selbst überprüft.«
    »Das hier ist keine billige Eckkneipe, Giuliano«, sagte Mike. »Ihr billigster Scotch kostet acht Piepen, also wer waren diese Männer? Fenton, haben Sie gehört, worüber sie sich unterhalten haben?«
    »Ein bisschen. Der, der den ersten Schein zückte, war, glaube ich, Franzose. Der redete am meisten. Es klang, als wären sie alle zusammen vorher auf einer Party gewesen und würden auf dem Nachhauseweg noch einen Absacker trinken.«
    »Und nur einer von ihnen war schwarz?«
    »Ja.«
    »Hat er viel geredet?«
    »Er hat hauptsächlich getrunken. Soweit ich mich erinnern kann, hat er nicht viel gesagt.«
    Mike sah mich an. »Ist in eurer Taskforce noch ein Plätzchen frei? Wenn du es einfädeln kannst, dass ich hier an der Bar vom Primola Dienst schiebe, trage ich gerne meinen Teil dazu bei, dass die Stadt sicherer wird.«
    »Abgemacht. Giuliano, wahrscheinlich wird es nicht dazu kommen, aber versprechen Sie mir, sofort die Polizei zu verständigen, wenn Sie glauben, den Kerl wieder zu sehen.«
    »Du klingst nicht überzeugt«, sagte Mike. »Dabei bist du doch diejenige, die damals, wenn ich mich recht erinnere, fast ein Jahr lang zu jedem Gemeinde- und Elternabend im Viertel gegangen ist, um den Leuten zu erzählen, dass der Seidenstrumpfvergewaltiger mitten unter ihnen lebt oder arbeitet.«
    Was für eine undankbare Aufgabe das damals gewesen war! Manche Vergewaltiger waren Opportunisten und schlugen zu, wann immer sich eine Gelegenheit bot – egal ob das Opfer fünfzehn oder fünfundsiebzig Jahre alt war. Es musste nur schutzlos und für den Täter zum richtigen Zeitpunkt am falschen Ort sein. Aber beim Seidenstrumpfvergewaltiger war das nicht der Fall. Er hatte es auf junge Frauen Mitte zwanzig, groß und schlank abgesehen und war bislang noch nie von diesem Typ abgewichen. Woche um Woche waren Mercer und ich den Bitten von Bürgergruppen nachgekommen, über den Seidenstrumpfvergewaltiger und seine Vorgehensweise zu referieren. Doch das Publikum bestand dann großteils aus Frauen über sechzig, die der Täter nicht im Entferntesten als Opfer in Betracht gezogen hätte.
    »Sehen Sie sich den Mann im Deli an der Ecke genau an«, hatte ich damals immer und immer wieder gesagt, »den Geschirrspüler im Restaurant ein paar Türen weiter, dessen Schicht unmittelbar vor den Überfällen um ein Uhr nachts endet. Ihren Portier, den Hausmeister von nebenan, den Typ neben Ihnen auf dem U-Bahnsteig.«
    »Also warum sollte er nicht auch in deinem Lieblingsrestaurant aufkreuzen, Coop?«, fragte Mike wieder.
    »Es liegt zumindest in seinem Einzugsbereich. Giuliano, das nächste Mal schnappen Sie sich sein Glas, bevor es in den Geschirrspüler wandert. Etwas Speichel für eine DANN-Probe ist alles, was wir brauchen. Lass uns gehen, Mike. Ich bin todmüde.«
    Wir fuhren die kurze Strecke zu meiner Wohnung, und Mike

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