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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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gewusst, wer die beiden waren und wie sie aussahen.
    »Die Arbeitsbedingungen hier sind alles andere als ideal«, sagte Andy. »Wir kommen morgen früh wieder und bringen sie ins Leichenschauhaus.«
    Mike rief seinen Vorgesetzten an, damit dieser den Revierleiter anwies, Streifenpolizisten zur Bewachung des Tatorts herzuschicken. Während wir auf sie warteten, verfrachteten wir Nan Toth in ein Taxi nach Hause zu ihrem Mann und ihren Kindern.
    »Bist du mit dem Auto da?«, fragte Mike.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Zieh dir deine Handschuhe an. Mein Auto steht um die Ecke. Hast du keinen Hunger?«
    Es war nach elf Uhr, und mein Magen knurrte fürchterlich.
    »Borborygmus.«
    »War das heute die letzte Jeopardy! -Frage? Ich passe und geb dir gleich zwanzig Dollar. Sorg nur dafür, dass ich so schnell wie möglich etwas zu essen bekomme.«
    So lange ich denken konnte, wetteten Mike, Mercer und ich bei der letzten Jeopardy! -Frage gegeneinander, falls wir zu dem Zeitpunkt gerade zusammen unterwegs waren. Egal ob wir uns in einer Bar oder an einem Tatort befanden – Mike fand immer einen Weg, den Fernseher einzuschalten. Er hatte Militärgeschichte studiert, und ich kannte niemanden, der mehr über Schlachten, die Lebensläufe von Generälen und die Farbe ihrer Pferde wusste als er.
    »Doppelt oder nichts. Borborygmus.«
    Er setzte sich hinters Steuer und wollte mir erst die Tür öffnen, wenn ich nachgab.
    Ich schlug gegen die Fensterscheibe. »Schon gut, ich lad dich zum Essen ein. Ich habe keinen blassen Schimmer. Mach endlich auf!«
    Er entriegelte die Tür und warf einige Akten vom Vorderauf den Rücksitz. Das halb gegessene Bologna-Sandwich zu meinen Füßen trug den Schuhabdruck eines anderen Polizisten.
    »Die Muskelbewegungen der Peristaltik, mit deren Hilfe dein Darminhalt befördert wird.«
    »Das war die heutige Frage?«
    »Nein. So heißt laut meinem Arzt das Knurren, das dein flaches Bäuchlein da von sich gibt. Ein voller Magen dämpft das Geräusch. Aber dieses ohrenbetäubende Knattern, das du da von dir gibst, ist richtig eklig. Hältst du noch bis zum Primola durch?«
    »Klar. Und ich hätte es dir abgenommen, dass die Schlacht von Borborygmus ein Wendepunkt im Krimkrieg war!«
    Mike fuhr in Richtung Uptown zu meinem Lieblingsrestaurant, das sich an der Ecke Second Avenue und 64. Straße befand. Die Bürgersteige waren wie leer gefegt, da die Wettervorhersage eisige Nachttemperaturen in Aussicht stellte und die Leute früher als sonst in ihre Häuser vertrieb.
    »Ciao, Signorina Cooper«, begrüßte uns Giuliano, der Besitzer, und rief dann Adolfo, dem Oberkellner, zu: »Mach den Tisch in der Ecke für Mr Chapman fertig. Subito. Fenton wird sofort Ihre Drinks fertig machen.«
    Ich liebte das Primola nicht nur wegen des guten Essens, sondern auch, weil wir hier wie Familienangehörige behandelt wurden. Am Ende eines langen Tages war es immer angenehm, so herzlich von Giuliano begrüßt zu werden.
    »Ist die Küche noch offen?«
    »Für Sie, Mr Mike, immer. Und wenn ich das Wasser selbst kochen müsste.«
    »Heute keine Cocktails, Giuliano. Es ist zu kalt für Eiswürfel. Bringen Sie uns eine gute Flasche Rotwein«, sagte Mike. Egal wie kalt es draußen war, Mike trug nie einen Mantel. Sein Markenzeichen war sein marineblauer Blazer, zusammen mit seinem dichten schwarzen Haarschopf und seinem ansteckenden Grinsen, das ihm nur an den übelsten Tatorten abhanden kam.
    »Wissen Sie schon, was Sie essen wollen, oder soll ich Ihnen die Speisekarte bringen?«, fragte Adolfo.
    »Alles, nur keine Rippchen«, sagte Mike. »Davon hatte ich heute Abend schon mehr als genug.«
    »Ich nehme eine Suppe, so heiß wie’s geht. Haben Sie eine Stracciatella? Und danach Risotto mit Würstchen und Pilzen.«
    »Für mich ein Kalbskotelett. Das größte, das Sie da haben. Und als Beilage grüne Bohnen, Kartoffeln und alles, was sonst noch in der Küche zu finden ist. Und sagen Sie Giuliano doch bitte, dass er sich zu uns setzen soll.«
    Der Besitzer war, wie Mercer, ein Zweimetermann und hatte eine ausladende Persönlichkeit, gleichermaßen charmant wie geschäftstüchtig. Er stammte aus einer norditalienischen Kleinstadt und hatte sich vom Kellner in einem renommierten Restaurant zum Besitzer seines eigenen schicken Etablissements hochgearbeitet. Dank seiner großartigen Küche war das Primola ein bekannter Treffpunkt für New Yorker mit anspruchsvollem Gaumen. Lokalpolitiker, Berühmtheiten, Sportstars und betuchte New

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