Im Schatten der Akazie
seiner eigenen Familie auf die Macht richten?
Schwerbeladen beförderte die Karawane sowohl die Mitgift der Prinzessin als auch Geschenke an Ramses den Großen: Gold, Silber, Bronze, Stoffe, Schmuck … Für eine Gabe dürfte der Pharao besonders empfänglich sein: für zehn prächtige Pferde, die abwechselnd die Ehre haben sollten, seinen Streitwagen zu ziehen.
Der Himmel zeigte sich mittlerweile nahezu wolkenlos, und es war unnatürlich warm. Die Soldaten schwitzten und erstickten schier in ihren Wintermänteln. Der Februar glich plötzlich einem Sommermonat. Diese ungewöhnliche Erscheinung konnte nicht von Dauer sein. In wenigen Stunden würde der Regen gewiß erneut einsetzen und die Zisternen füllen.
Die Prinzessin kniete vor ihrem Vater nieder, der sie mit Brautöl salbte.
»Die Salbung zur Hochzeit wird Ramses selbst vornehmen«, kündigte Hattuschili an. »Gute Reise, künftige Königin von Ägypten.«
Der Zug setzte sich in Bewegung. Der Sänfte, in der die junge Frau Platz genommen hatte, folgte eine weitere gleicher Größe: die Sänfte der Königin Puducheba.
»Ich begleite meine Tochter bis zur Grenze«, erklärte sie dem Herrscher, als sie an ihm vorübergetragen wurde.
Feindselig wirkende Berge, jäh abfallende Pfade, beunruhigende Schluchten, dichte Wälder, in denen Angreifer lauern konnten … Königin Puducheba bekam Angst vor ihrem eigenen Land. Gewiß, die Soldaten waren auf der Hut und ihre Anzahl hätte jeden abschrecken müssen, der sie zu überfallen gedachte, aber Hatti war lange Zeit der Schauplatz blutiger 225
innerer Kämpfe gewesen. Versuchte nicht womöglich Uriteschup selbst oder einer, der ihm nacheiferte, die Prinzessin zu ermorden, die als Symbol für den Frieden galt?
Doch am unerquicklichsten war, daß sie den Winter vermißten. Da ihre Körper von Natur aus jetzt auf die kalte Jahreszeit eingestellt waren, fiel es den Menschen schwer, sengende Sonne und Trockenheit zu ertragen. Ungewohnte Müdigkeit erfaßte alle und machte die Reise zur Qual.
Puducheba merkte, daß die Wachsamkeit des Geleittrupps ebenso nachließ wie die Kräfte der Offiziere. Wären sie überhaupt fähig, einem schweren Angriff standzuhalten?
Nur die Prinzessin blieb unerschütterlich, als könnte diese Prüfung ihr nichts anhaben. Stolz und wild entschlossen, ihr Ziel zu erreichen, führte sie den Zug an.
Sobald es in den Bäumen rauschte oder sich das Plätschern eines Wildbaches wie das Herannahen bewaffneter Männer anhörte, zuckte Puducheba zusammen. Wo verbargen sich die Aufrührer? Wie würden sie vorgehen? Des Nachts wachte die Königin von Hatti oft auf, horchte auf das leiseste verdächtige Geräusch, und tagsüber ließ sie ihre Blicke aufmerksam über Wälder, steile Abhänge und Flußufer schweifen.
Die Prinzessin und ihre Mutter sprachen nicht miteinander. In ihr Schweigen gehüllt, lehnte Puduchebas Tochter jede weitere Berührung mit ihrem früheren Leben ab. Für sie war Hatti gestorben, und ihre Zukunft hieß Ramses.
Dem Geleitzug machte die unerwartete Wärme zu schaffen, als er dürstend und erschöpft Kadesch hinter sich ließ und den Grenzposten Aya im Süden Syriens erreichte. Dort ragte am Rande des vom Pharao überwachten Hoheitsgebietes eine ägyptische Festung auf.
Bogenschützen gingen an den Zinnen in Stellung, das große Tor schloß sich. Die Garnison befürchtete einen Angriff. Da stieg die Prinzessin aus ihrer Sänfte, schwang sich auf eines der 226
für Ramses bestimmten Pferde, galoppierte unter den verblüfften Blicken ihrer Mutter und des hethitischen Befehlshabers auf das Bollwerk zu und blieb am Fuße der Schutzwälle stehen. Kein ägyptischer Bogenschütze hatte es gewagt, einen Pfeil abzuschießen.
»Ich bin die Tochter des Herrschers von Hatti und die künftige Königin von Ägypten«, rief sie. »Ramses der Große erwartet mich, um sich mit mir zu vermählen. Bereitet mir einen freundlichen Empfang, sonst kommt der Zorn des Pharaos wie Feuer über euch!«
Der Kommandant der Festung erschien.
»Hinter dir steht eine ganze Armee!«
»Das ist keine Armee, sondern mein Geleitschutz.«
»Diese hethitischen Krieger sind bedrohlich.«
»Du irrst, Kommandant! Ich habe dir die Wahrheit gesagt.«
»Ich habe keinerlei Anweisung aus der Hauptstadt erhalten.«
»Dann setze Ramses unverzüglich davon in Kenntnis, daß ich hier eingetroffen bin.«
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ZWEIUNDDREISSIG
MENIS AUGEN WAREN gerötet und das Atmen fiel ih
A m schwer, denn er hatte sich
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