Im Schatten der Akazie
hethitischen Armee habe zugeschlagen. Dazu mußten am Schauplatz des Geschehens nur ein paar eindeutig hethitische Waffen verteilt und die Leichen einiger als Soldaten der Armee Hattuschilis verkleideter Bauern zurückgelassen werden. Es würde zwar einen erbitterten Kampf und auch Verluste in den Reihen der Libyer geben, doch derlei Kleinigkeiten hielten Malfi gewiß nicht davon ab. Die Aussicht auf eine rohe, blutrünstige und siegreiche Tat würde den Anführer der libyschen Krieger begeistern.
Hattuschili verlor dabei seine Tochter und Ramses seinen Sohn. Deshalb würden beide Herrscher diesen Angriff in einem Feldzug rächen, der alle bisherigen übertraf. Und Acha war nicht mehr da, um die Lage zu entspannen. Uriteschup wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Entweder sah er seinen Fehler ein und arbeitete fortan hilfreich mit, oder er wurde aus dem Weg geräumt. Dem syrischen Kaufmann mangelte es nicht an Ideen, wie er den ägyptischen Staat von innen her aushöhlen konnte. Ramses durfte nicht ein Tag Ruhe gegönnt werden.
Da klopfte es an die Tür der Vorratskammer. Zu dieser späten 218
Stunde konnte das kein Käufer mehr sein.
»Wer ist da?«
»Der Schiffsführer Rerek.«
»Ich will dich hier nicht sehen.«
»Mir ist Schlimmes widerfahren. Ich bin zwar damit fertig geworden, aber ich muß mit dir reden.«
Raia öffnete die Tür nur halb.
Ihm blieb kaum Zeit, das Gesicht des Schiffers zu erspähen, denn der bekam einen Stoß in den Rücken, strauchelte und riß Raia zu Boden, während Serramanna und Setaou in die Vorratskammer eindrangen.
Der sardische Riese wandte sich an Rerek.
»Wie heißt dieser Mann?« fragte er und zeigte dabei auf Raia.
»Ameni«, antwortete der Schiffer, der sich kaum noch bewegen konnte, weil man ihm hölzerne Handschellen anlegte und die Füße mit einem Seil zusammenband.
Raia machte sich das Zwielicht zunutze, das im hinteren Teil der Vorratskammer herrschte, und kroch in den dunkelsten Winkel, um dort behende die auf das Dach hinaufführende Leiter zu erklimmen. Mit ein wenig Glück würde es ihm gelingen, seine Verfolger abzuschütteln.
Auf einer Ecke des Daches saß jedoch eine hübsche Nubierin und sah ihn streng an.
»Keinen Schritt weiter!«
Raia zog einen Dolch aus dem rechten Ärmel seines Gewandes.
»Verschwinde, oder ich bringe dich um!«
In dem Augenblick, in dem er sich mit erhobenem Arm auf sie stürzen wollte, biß ihn eine Schlange in die rechte Ferse.
Der Schmerz war so heftig, daß Raia die Waffe fallen ließ, 219
taumelte, das Gleichgewicht verlor und in die Tiefe stürzte.
Als Serramanna sich über den syrischen Kaufmann beugte, verzog er mißmutig das Gesicht. Raia hatte sich bei dem Sturz das Genick gebrochen.
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EINUNDDREISSIG
OM UNGESTÜM IHRES Gemahls noch ganz
V benommen, schmiegte sich die Herrin Tanit überglücklich und schmachtend an Uriteschups mächtigen Brustkorb.
»Liebe mich noch einmal, ich flehe dich an!«
Der Hethiter hätte ihrem Drängen gerne nachgegeben, doch das Geräusch von Schritten ließ ihn aufhorchen. Er erhob sich und zog ein kurzes Schwert aus der Scheide.
Im nächsten Augenblick klopfte es an die Tür des Gemachs.
»Wer ist da?«
»Der Hausverwalter.«
»Ich habe dir untersagt, uns zu stören«, schimpfte die Herrin Tanit.
»Ein Freund deines Gemahls … Er behauptet, es sei sehr dringend.«
Die Phönizierin packte Uriteschup am Handgelenk, um ihn zurückzuhalten.
»Das ist vielleicht eine Falle.«
»Ich weiß mich zu verteidigen.«
Er rief einen Hethiter herbei, der ihn im Garten des Hauses erwartete. Stolz darauf, in den Diensten des ehemaligen Oberbefehlshabers zu stehen, erstattete der Mann ihm leise Bericht, dann verschwand er wieder.
Als Uriteschup in das Schlafgemach zurückkehrte, fiel ihm Tanit um den Hals und bedeckte ihn mit Küssen. Sobald sie aber spürte, daß ihn etwas mit Besorgnis erfüllte, ließ sie von ihm ab und brachte ihm eine Schale Wein.
»Was ist geschehen?«
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»Unser Freund Raia ist tot.«
»Ein Unfall?«
»Er ist vom Dach gestürzt, während er versuchte, Serramanna zu entwischen.«
Die Phönizierin wurde kreidebleich.
»Dieser verdammte Sarde! Aber … er wird die Fährte bis zu dir zurückverfolgen!«
»Schon möglich.«
»Du mußt fliehen, du mußt sofort fliehen!«
»Bloß das nicht. Serramanna lauert darauf, daß ich auch nur den geringsten Fehler mache. Falls Raia keine Zeit mehr gehabt hat, etwas auszuplaudern, kriegt mich der Sarde nicht
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