Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
sein Sohn die Sprache wiederfand. »Aber Herr Vater! Die Schlampe hat ebenfalls den Tod verdient. Sie muss auch hingerichtet werden!«
Der alte Dietrich blieb stehen und sah seinen Sohn eindringlich an. »Solange ich noch in der Lage bin, bestimme ich, was geschieht. So lange hast du dich meinem Urteil zu unterwerfen. Dieses Mädchen wurde von deinem Bruder überfallen. Auch ihr wurde etwas angetan. Sie ist auch Opfer – womöglich nur Opfer. Sie bleibt im Kerker. Das ist mein Beschluss. Und du wirst dich ihm fügen.«
Es herrschte absolute Stille im Raum. Jeder starrte gebannt auf den Machtkampf der beiden Herren von Manderscheid.
Der Sohn verneigte sich leicht. »Ja, Vater. Entschuldigt bitte meine Unverfrorenheit.«
Dietrich I. verkündete mit leiser Stimme, dass er nun in Ruhe gelassen zu werden wünschte, und ging müde zur Tür. Keiner sagte ein Wort. Doch bevor der alte Dietrich den Raum verlassen konnte, wurde die Tür aufgerissen und ein Bediensteter stolperte herein. Fast hätte er seinen Herrn umgerannt. Der Untergebene machte ein paar unterwürfige Verbeugungen und entschuldigte sein unerwartetes Eintreten mit der Begründung, dass ein wichtiger Besucher angekommen sei. Inzwischen war Irmgard ihrem Schwiegervater zur Seite geeilt und hatte sich bei ihm eingehakt, um ihn zu stützen.
Unwirsch bedeutete sie dem Diener zu verschwinden. »Unser Herr braucht seine Ruhe. Der Besuch soll später wiederkommen.«
Der Mann schaute sich unschlüssig um. Er wollte zu einer Antwort ansetzen, wagte es aber nicht, sich der Herrin zu widersetzen. Er war zwischen den einander widersprechenden Anweisungen hin und her gerissen. Wie sollte er erkennen, was das wichtigere Anliegen war? Doch die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Ein reich gekleideter Mann kam herein und schob den Diener unsanft zur Seite. Der Besucher blickte mit hoch erhobenem Kopf in die Runde. Die goldenen Knöpfe seiner Brokatjacke glänzten und blitzten. Die Federn an seinem Hut wippten bei jeder Bewegung hin und her. Und nun erschienen auch zwei Soldaten, die nicht auf der Burg stationiert waren und sich mit strengem Blick an der Tür in Position brachten.
Nikolaus hatte sich beim Eintreten des Fremden sofort verbeugt. »Bitte verzeiht, dass ich Euch nur mit gefesselten Händen begrüßen kann, durchlauchtigster Kurfürst.«
Otto von Ziegenhain schüttelte missbilligend seinen Kopf. »Ach, mein lieber, junger Doktor, was muss ich da von Euch hören? Könnt Ihr mir das erklären?«
»Sicherlich, Eure Exzellenz.«
»Das will ich auch hoffen. Aber erst möchte ich dem Herrn von Manderscheid meine Ehre erweisen.«
Der Kurfürst wandte sich an Dietrich I. Die beiden verneigten sich leicht voreinander und tauschten eine gebührliche Begrüßung aus – höflich, aber nicht herzlich. Schließlich war einer der sieben höchsten Reichsfürsten uneingeladen auf der Burg eines Herrn erschienen, der der Lehnsmann eines anderen Herrschers war. So etwas konnte leicht zu unangenehmen diplomatischen Verwicklungen führen. Anschließend nickte Otto auch kurz dem jungen Dietrich und dessen Frau zu.
Als er sich wieder zum Burgherrn umwandte, fiel sein Blick zufällig auf Christina. Wie erstarrt hielt er inne und legte dann die Hand erschrocken auf den Mund. War er so sehr von ihrer Schönheit fasziniert? Auch ein Erzbischof durfte sich keine fleischlichen Gelüste erlauben. Aber er hatte sich schnell wieder gefangen und versuchte zu lächeln, als wäre nichts geschehen. »Bitte verzeiht mir mein ungehöriges Eindringen, werter Herr von Manderscheid.«
Trotz aller Höflichkeitsfloskeln blieb Dietrichs Gesicht finster und verschlossen. »Wie komme ich zu der Ehre, Euch hier willkommen heißen zu dürfen?«
»Ich komme aus Trier und bin die halbe Nacht geritten, um zu verhindern, dass jemand zu Unrecht verurteilt wird.«
Dietrich richtete sich auf. »Seid versichert, dass wir unsere Angelegenheiten auch allein nach Recht und Gerechtigkeit entscheiden können.«
Das aufgesetzte Lächeln des Kurfürsten wurde noch breiter. »Davon bin ich voll und ganz überzeugt.«
»Wir haben den Mörder meines jüngsten Sohnes schon gefunden.« Er zeigte auf Nikolaus.
Otto nickte. »Das wurde mir auch schon zugetragen. Aber ich kann es nicht so recht glauben. Ich kenne den jungen Mann.«
»Wir haben Beweise!«
»Selbstverständlich. Sind sie denn so eindeutig?«
Energisch schlug Dietrich mit seinem Stock auf den Boden. »Natürlich! Dieser Bursche wird als Mörder
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