Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
treffen.«
Ich bin der König. Und ich treffe Entscheidungen, wenn ich es will!
Hatte er nicht soeben über die Kluft zwischen ihnen nachgedacht? Und nun überschritt Grisolde diese und nahm sich Rechte heraus, die ... die ... alles war so verworren!
Er nickte. »Du hast Recht. Die Liebe muss warten.«
»Beeile dich, mein König. Heute ist ein wichtiger Tag. Nichts kann so bleiben, wie es war. Gestern Abend gab es ein Attentat auf den König von Dandoria. Bald werden es die Barden singen. Nun musst du deine Stärke beweisen. Zeige ihnen, zu was du fähig bist, damit sich die Texte verändern und ein hohes Lied singen.« Ihre Augen strahlten und ihr Gesicht wurde kantig. »Du bist ein wunderbarer Mann, ein starker Mann.« Ihre Fingerspitzen glitten über seine Brust. »Finde den Attentäter oder den, der ihn gedungen hat. Suche und lass mich ihn bestrafen. Mit jedem Schrei, den er von sich gibt, will ich dir meine Liebe beweisen.«
In Rondricks Kopf drehte sich alles.
Grisoldes Härte und die eisige Art, wie sie jedes Wort betonte, ließ ihn frösteln. Hatte sich sein Leben tatsächlich verändert? Hatten seine Minister recht, wenn sie ihn bedrängten, er möge sich das Nordland, die Inseln und den Rest von Mythenland untertan machen?
Was, wenn ein nächster Anschlag glückte?
Wer würde seinen Platz übernehmen?
Er hatte weder einen Sohn noch einen Bruder. Grisolde würde die Königin von Dandoria werden.
Bei den Göttern, es gab viel zu bedenken! Irgendwo musste der Übeltäter stecken. Nun war die Zeit des Friedens vorbei, ahnte er und es hätte nicht viel gefehlt, um auch ihm Tränen in die Augen zu treiben.
Grisolde lächelte. »Du musst deshalb nicht traurig sein. Es ist des Königs Los, sein Leben auf einem Seil zu verbringen. Nur wer sich durchsetzt, stirbt im Bett und im Kreise seiner Liebsten. Wer weiß – vielleicht schenken uns die Göttern doch einen Sohn? Du wirst wollen, dass er stolz ist auf dich, den man jetzt hinter vorgehaltener Hand Rondrick den Riesentöter nennt.«
»Ich habe nie einen Riesen getötet!«
»Du hast einen gefangen. Du weißt doch, wie sich Dinge verändern, die von Mund zu Ohr gehen.«
Rondrick der Riesentöter! Das klang gut. Das machte sich gut in den Annalen derer von Mythenland.
»Ich glaube ...«, murmelte er. »Es gibt eine Möglichkeit.« Er schob seinen Kopf zwischen die Schultern. »Ich verlasse die Burg und mische mich unters Volk. Ich verändere mein Aussehen und gebe mich als Händler aus. Ich kaufe ein Schiff und segele ins Südmeer, besuche die angrenzenden Länder und da, wo es mir gefällt, baue ich ein schönes Haus und verbringe meine Tage.«
Sie stapfte so hart mit dem Fuß auf, dass er zusammenschrak. »Du – du – du! Und wo bleibe ich dabei? Soll ich Ziegenhirtin werden?«
Er wedelte mit den Händen. »Nein – ich rede nicht von Ziegen. Wir haben genug Gold, um uns alles zu leisten, was dein Leben angenehm macht. Mit der Zeit wird man uns dort, wo wir glücklich sind, akzeptieren. Du kannst Bälle veranstalten und mit deinen Freundinnen ...«
Sie zischte wie eine Schlange und stieß ihre Hände in die Hüften. »Du hast eine Aufgabe. Du bist der König. Somit trägst du Verantwortung für dein Volk. Ob es dir passt oder nicht!«
Wie war er darauf gekommen, zwischen ihnen hätte sich eine Kluft aufgetan? Vermutlich war er nicht richtig wach gewesen, oder?
»Wer Verantwortung übertragen bekommt, muss diese ausfüllen.«
»Wer sagt das?«, maulte Rondrick.
»Es genügt, ein Mensch zu sein, um Verantwortung zu tragen. Ich werde dir die Verantwortung nicht abnehmen, nein, das werde ich nicht!« Sie blitzte ihn an. »Ich werde dir helfen, sie zu tragen!«
»Rondrick der Riesentöter ...«, murmelte er leise vor sich hin.
Grisolde nahm seine Hände. Sie blickte zu ihm auf. »Du bist ein guter Mann, viel zu gut für diese Welt. Dennoch gibt es Dinge, die auch du nicht verändern kannst. Also lerne, mit ihnen zu leben.«
»Und wenn ich mich anders entscheide?«
»Man wird dich einen Feigling nennen. Einen Mann, der sein Volk im Stich gelassen hat.«
»Dem Volk geht es gut. Wir haben Frieden.«
»Einen Frieden, in dem man versucht, den König zu töten?«
Diesem Argument konnte Rondrick nicht wiedersprechen. »Also gut. Ich werde eine Ratssitzung einberufen und schauen, was zu tun ist.«
Grisolde nickte. »Das ist nicht nötig.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe mich darum gekümmert. Der Rat wartet bereits nebenan in deiner
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