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Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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legte zwei zusammen, platzierte diese übereinander, weitere nebeneinander und schloss die Augen. Danach blickte sie Rondrick an und murmelte. »Du bist der Ron.«
    »Warum sagt du das?«, fragte Rondrick, der vor ihr kniete.
    »Du bist der Ron.«
    »Ich würde mich freuen, wenn ich von dir mehr erfahre. Warum bin ich der Ron?«
    Symbylle lächelte. Ihre dunklen Augen sahen aus wie schwarze Edelsteine. Während sie sprach, strichen ihre Fingerspitzen über die Blüten. »Du bist der Ron.«
    Rondrick blickte hilflos zum Riesen empor. Dreißig, eher vierzig Fuß über ihm blickte ein raues bärtiges Gesicht zu ihm herab.
    Die Kreatur war groß - unglaublich groß und der menschliche Verstand hatte Schwierigkeiten, die monströsen Proportionen aufzufassen. Arme, so lang wie junge Bäume, Beine wie Deckenstützen. Der Kopf seltsam menschlich, wenn auch grobschlächtig. Zwei große runde Augen, aus denen eine rätselhafte Seele sprach, blickten Rondrick an. Augen die viel gesehen hatten, denn Riesen wurden viele hundert Jahre alt.
    Er besaß eine bemerkenswerte Kollektion von Erinnerungsstücken, die er an seine Kleidung befestigt hatte. Vor seiner Brust baumelte ein Schiffsanker, Steine in der Form von Spiralen, ein Gürtel aus Schiffstauen. Seine Beine waren komplett mit Stoff umwickelt, sein Wams bestand aus Tierfellen. Die Arme waren frei und mit farbigen Ornamenten bemalt, die Handgelenke ebenfalls mit Stoff umwickelt, jetzt verunziert von des Königs Armfesseln und Reste der Ketten. An den Ohren baumelten mit Draht verzierte Steine. Seine Haare waren schulterlang, der Bart reichte ihm bis auf die Brust.
    Während ihrer Wanderung in das Riesental hatten Rondrick und seine Gefährten festgestellt, dass ihr Führer kultiviert war. Auf seine Frage, warum er sich nicht räche, sondern ihnen auch noch den Gefallen tat, als Held die Stadt zu verlassen, hatte er gesagt:
    »Auch ihr Kleinen seid ein Teil der großen Wesenheit, die man Natur nennt. Da alles ein großes Ganzes ist, gehört auch ihr dazu, wie Fels und Baum, wie Fluss und Aue. Obwohl wir euch nicht lieben, wollen wir euch zumindest billigen.«
    Rondrick hatte voller Verwunderung das grobschlächtige Gesicht, in dem man - mit viel Phantasie - Güte und Weisheit lesen konnte, geprüft.
    Die Stimme des Riesen flüsterte: »Fünf Tagesreisen südlich leben unsere Brüder, die Sumpfer. Wenn ihr euch mit denen angelegt hättet, wärt ihr jetzt alle tot. Sie spießen euch auf und rösten euch über einem Feuer. Wir hingegen leben in Frieden. Wir sind es nicht gewohnt, dass man diesen Frieden stört!«
    Egg T’huton hatte gelacht. Er saß auf der Schulter des Riesen und hielt sich an dessen Haaren fest. »Er ist ein kluger Kerl! Man könnte meinen, er habe viele Bücher gelesen.«
    Der Riese grinste, zeigte seine monströsen Zähne, und - als ahne er, was er den Ohren des Kleinen Volkes antat - unterdrückte sein Gelächter. »Bücher?«, kichert er, was sich wie ein Sturmwind anhörte. »Wer schrieb sie?«
    »Lagorien, Systmar der Erfüllte, W‘ontbra von Facht und viele andere«, erklärte Egg.
    »Die meisten von denen, mein kleiner Bärtiger, kannten wir gut. Systmar war ein arroganter Mann, doch er konnte sehr gut disputieren. Lagorien war kein Dummkopf, obwohl er sich oft wie einer verhielt, vermutlich aus Eitelkeit. Wir führten viele Gespräche am Feuer und erkundeten den Stand der Sterne. Wir planten und bauten gemeinsam die Zähne von Stinehodge, wir errichteten in der Meerenge von Südland das Koloss von Rhendus, gemeinsam rodeten wir Felder und errichteten Dämme gegen Wind, Sturm und Wasser. Zumeist waren die Dichter an unserer Seite. Nur wer erlebt hat, kann weise schreiben. Sie kamen zu uns, um zu lernen.«
    »Zu lernen?«, hakte Rondrick nach.
    »Ja«, nickte der Riese. »Das Bild des Menschengeschlechts zeigt nur Verwirrung und Chaos. Also kommen die Denker zu uns, denn das Bild der Natur zeigt nur Ebenmaß und Harmonie.«
    Egg T‘huton strahlte. »Ein gebildeter Mann! Wer hätte das gedacht? Soviel ich weiß, sprach kein mir bekannter Dichter darüber.«
    »Weil das Genie das größte Geheimnis ist und es stets bleiben wird.«
    »Wie kamen die Dichter in dieses Tal? Noch keinem Menschen gelang es, über die Berge zu klettern.«
    »Das werde ich später erklären!«
    Rondrick hatte seinen Ohren nicht getraut. Solange er denken konnte, war er im Glauben erzogen worden, Riesen seien grobe Klötze ohne Verstand und gewaltbereit wie die Bestien von

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