Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Unterwelt.
»Wir wollen gehen. Ich habe Hunger!«, grollte der Riese.
Rondrick sprang auf und stemmte die Arme in die Hüften. Er sah auf und sagte: »Warum hast du uns Symbylle vorgestellt? Was bedeutet das Mädchen für euch und wer kümmert sich um sie?«
Der Riese grinste. »Nehme ich so etwas wie Mitgefühl wahr? Sorgst du dich um das Menschenkind?«
Egg T’huton runzelte seine Brauen und strich durch seinen Bart. »Der König hat die Pflicht, sich um alle seine Untertanen zu kümmern.«
Der Riese lachte los. Seine Stimme dröhnte durch das Tal, lediglich Symbylle schien es nicht wahrzunehmen. Sie war konzentriert und schwieg.
»Ein König ist ein Mann, nicht wahr? Ein einfacher Mann. Was macht ihn zu einem König? Seine Krone? Ein König ist nur derjenige, der seine eigenen Leidenschaften beherrscht! Nur derjenige, der ein weiser Mann ist. Und das, ihr Winzlinge, erkenne ich nicht bei euch.«
Jamus Lindur, der dreinblickte, als könne er noch immer nicht glauben, in welches Abenteuer er geraten war, lächelte. »Dann sage uns, was du siehst, Riese. Und nenne uns endlich deinen Namen!«
»Ihr seid das Kleine Volk. Wir beobachten euch seit langer Zeit. Mäusen gleich huscht ihr durch die Generationen und verbringt eure Epochen mit Krieg und Missgunst.«
»Und wie ist dein Name?« Jamus ließ nicht locker.
Der Riese erstarrte. Er blickte zu Jamus und sagte mit leiser Stimme, die laut genug war: »Du bleibst bei der Sache, kleiner Rothaariger. Das schätze ich. Bist du ein Künstler?«
»Ich bin ein Barde. Ich erzähle und singe.«
»Und du fragst dich, wie du deine zukünftigen Geschichten glaubhaft darstellen sollst?«
Jamus zuckte die Achseln. »Das mag sein.«
»Ein ehrlicher Mann bist du obendrein. Also will ich dir meinen Namen nennen. Man nennt mich Talus.«
Talus, aha! Rondrick starrte den Riesen an.
Talus passte zu ihm. Der Name hatte etwas Gewichtiges.
Symbylle blickte auf. Ihre schwarzen Augen leuchteten. »Du bist der Talus.«
Der Riese beugte sich hinab und sein Zeigefinger strich dem Mädchen über den Kopf. »Ja, ich bin der Talus, meine Kleine.« In seiner Stimme schwangen Zärtlichkeit und Sympathie.
Er ist uns allen voraus!, dachte Rondrick. Er ruht in sich und hat den Sinn seines Lebens gefunden!
»Bist du zufrieden, Barde?«, tönte Talus.
»Ich danke dir. Nun werde ich gerne an dein Herdfeuer gehen. Die Schweine sind inzwischen sicherlich gar.«
Talus brummte und streichelte seinen Bauch. Dann nahm er alle drei auf, obwohl Rondrick, der lieber selbst gelaufen wäre, protestierte und stapfte davon.
Sie kehrten in das Tal zurück.
Über den Bergen lagen graue Wolken. Es roch nach Herbst. Und nach Grün. Nach Wasser und Lehm, nach Stein und Sand, nach Regen und Schnee.
Darin verwoben war ein heftiger Gestank, der über das Tal strich. Rondrick ahnte, was das zu bedeuten hatte. Ihm drehte sich der Magen um. Der Riese - Talus - hatte den Schweinen die Kehle umgedreht und sie, ohne sie auszunehmen, in heißes Wasser geworfen. Mitsamt der Innereien. Erneut schüttelte es den König, der feinste Speisen gewohnt war, angerichtet von ausgewählten Köchen. Ein erbärmlicher Geruch, der seine Quelle bei Talus‘ Herdfeuer hatte.
Rondrick beschloss, sich die Stimmung nicht zu verderben. Wichtig war, dass er von seinem erhöhten Ausblick so viel wie möglich aufnahm. Interessiert blickte er über das Tal. Auf den ersten Blick wirkte das Gewimmel der Weiber, Kinder und Kerle wie jedes beliebige Dorf, in dem Frieden herrschte, abgesehen davon, dass alles etwas - größer war.
Weiter hinten bearbeitete ein Schmied seinen Amboss. Funken stoben bis in den Himmel. Einige Männer waren bartlos, andere verschwanden fast hinter ihren Gesichtshaaren. Ein hagerer Riese saß auf einem Holzstoß und deklamierte von einer Steintafel. Vor ihm rissen Riesenjungen und Riesenmädchen ihre Augen auf und lauschten verzückt.
Zwei stabile Kolosse stapelten Steinquader übereinander, warum, blieb Rondrick verschlossen. Es wirkte wie ein Spiel, denn sie lachten und knurrten in ihrer eigenen Sprache. Von weit her klangen die regelmäßigen Schläge solider Meißel, die in Stein getrieben wurden.
Mit etwas Phantasie entdeckte Rondrick darin einen Rhythmus, auf den der Barde ein Lied summte.
An den Berghängen lagen Riesen und schliefen. Sie schnarchten sanft, wodurch Berg und Tal sanft vibrierten. Erst als Rondrick einen zweiten Blick auf die Schlafenden warf, erkannte er, dass es sich um
Weitere Kostenlose Bücher