Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
einen Ruf geschaffen, der ihm nicht entsprach. Er hatte seine Stadt befreit und würde in die Lieder eingehen. Er war schon jetzt eine lebende Legende.
Kein Gegner war schlimmer als eine Legende.
Grisolde lachte hart. Es gab nichts, vor dem sie aufgab. Das hatte sie in den Strassen der düsteren Nordstädte gelernt. Als man sie für ein dummes Mädchen hielt und ausnutzte. Als man sie in Situationen zerrte, die ihre Seele zermürbten, weil sie sich Dinge antun musste, die grauenvoll waren. Doch sie überlebte es. Alles war besser, als zu ihrem Vater zurückzukehren, jenem kantigen Kerl, der seine einfache Frau ins Grab gebracht hatte und seine Tochter behandelte wie ein … wie ein …
Grisolde sparte ihr Gold und verließ die Nordfeste. Sie nahm den Weg nach Süden, alleine, ohne Pferd und Proviant.
Sie machte Rast im Elfental Solituúde. Man nahm sie freundlich auf und wunderte sich, wie sehr sie einer Elfe glich. Hier war das Leben harmonisch aber langweilig.
Von dort ging es weiter. Da sie schön war, gelang ihr die Reise. Sie hatte stets die Möglichkeit, zu bezahlen. So kam sie nach Dandoria. Hier wollte sie bleiben. Hier malte sie sich ihre Zukunft aus.
Es war an einem Sommerabend. Vom Meer wehte eine milde Brise über die Stadt und verscheuchte schlechte Gerüche. In den Strassen brodelte das Leben. Die Bevölkerung tanzte. Man trank und sang.
Ein wohlgeformter junger Mann blickte sie an und forderte sie zum Tanz. Seine braunen welligen Haare, seine schmale Nase, seine fein geschwungenen Lippen und seine träumerischen Augen taten es ihr an. Er roch gut und war geschmeidig. Er nahm sie zur Seite und blickte mit ihr zu den Sternen hoch. Zu jedem der Sterne wusste er Geschichten zu berichten.
Noch nie war sie so einem wie ihm begegnet. Er wob feine Sätze und eroberte ihr Herz.
Umso erschrockener war sie, als Soldaten ihre Macht zeigten und den Mann von ihr wegrissen. Sie fassten ihn unter und führten ihn weg. Zuerst hatte sie gedacht, er sei ein entsprungener Sträfling oder ein gesuchter Pirat. Später erfuhr sie, dass sie den König von Dandoria, Rondrick, kennengelernt hatte. Einen Mann, dem es Freude machte, inkognito in die Stadt zu gehen und den Festivitäten beizuwohnen.
Rondrick ließ sie suchen und fand sie.
Wenige Tage später war sie Gast auf seiner Burg.
Sie und der schöne König speisten gemeinsam und Grisolde beschloss, hier zu bleiben. Auf der Burg. Hier, wo es Bedienstete gab. Wo sie nur mit den Fingern schnippen musste, um alles zu erhalten, wonach sie begehrte. Wie immer, wenn sie einen Entschluss fasste, setzte sie ihn um.
Zwei Monate später wurde sie Lady Grisolde.
Sie wusste, dass die wichtigsten Männer des Landes wetterten, dass kaum jemand die Hochzeit guthieß. Dennoch zog sie den Kopf zwischen die Schultern und blieb.
Rondrick war ein schwacher König.
Das, was sie an ihm fasziniert hatte, nervte sie bald. Seine Verträumtheit, seine Naturverbundenheit und Friedfertigkeit waren ihr von heute auf morgen nicht mehr angenehm. Vielleicht spürte er ihren Missmut, möglicherweise auch nicht. Männer waren wie drollige Tiere. Solange man ihnen zu Willen war, hielten sie sich für unangreifbar.
Was sie wollte, bekam sie. Diese Zielstrebigkeit hatte sie zur Lady des Königs gemacht und es würde sie noch einen Schritt weiter bringen.
Königin Grisolde!
Das entzückte sie.
Von einer Hure zur Königin.
Sobald dieser Schritt gegangen war, würde sie sich mit dem Herrn von Unterwelt verständigen. Einiges dazu hatte sie im Elfental gehört. Gerüchte nur, dennoch nachvollziehbar.
Sehr oft fiel der Name Feiniel, andere nannten ihn Murgon. Er sei der Lord von Unterwelt, ein Dunkelelf. Er habe vor vielen Jahren ein Artefakt gefunden, welches von den Wächtern stammte, den wahren Herren von Unterwelt. Nachdem man Feiniel aus der Gemeinschaft der Elfen ausgeschlossen hatte, sei dieser nach Unterwelt gegangen. Als verbitterter Elf, der sich nun Murgon nannte.
Möglicherweise hatte Murgon kein Interesse, auch Grisolde zu töten. Nicht, wenn sie sich kennenlernten und spürten, wie nahe sie sich standen. Zwei, die gleiche Interessen vertraten. Grisolde glaubte daran, dass Gespräche fruchtbar waren. Niemals würde sie sich verstecken. Wer etwas anstrebte, musste sich der Situation stellen.
Möglicherweise würden sie sogar gemeinsam herrschen.
Sie und Murgon – ein wahnsinniger Traum!
Beide Herrscher über Mythenland!
Jeder Traum gebar einen neuen und Grisoldes Träume
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