Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
schwang sich in den Sattel und stützte die Hand auf den Sattelknauf. Sie blickte zu den weißen Bauten und den Gärten, die nun verrotteten und Tränen schossen in ihre Augen.
Sie ließ ihr Leben zurück, doch der Hohe Rat hatte sie gewählt. Sie war jahrelang ausgebildet worden. Jetzt wusste sie, dass alles auf diesen Tag gerichtet gewesen war.
Sie würde nach Unterwelt gehen und den Dunkelelf Murgon töten. Sie würde dafür sorgen, dass die dunklen Schwingungen, die über dem Elfental lagen, endeten. Sie wusste, dass es sich um die Rache des Dunkelelfs handelte. Einst hieß er Feiniel und hatte in Solituúde gelebt. Dann war er nach Unterwelt gegangen.
Die Seher hatten es bald erkannt.
Lord Murgon stellte eine düstere Armee auf, mit der er Mythenland unterdrücken würde. Dem musste Einhalt geboten werden.
Ja, sie war von Kindesbeinen an für diese Aufgabe vorbereitet worden. So, wie es der Große Kreis wollte. Man trainierte sie in allen erdenklichen Disziplinen einer Kriegerin. Parallel dazu lief ihre Ausbildung als Seherin und Magierin.
Nun war ihr Wissen perfekt.
Sie war beste Bogenschützin im Umkreis von fünf Tagesritten. Sie konnte mit Pferden denken und beherrschte die Schwebemagie. Ihre seherische Gabe war überdurchschnittlich und ihre Kampfmagie hatte bisher alle Trainingspartner auf die Matte geschickt.
Sie war geschliffen worden wie ein Diamant. Makellos. Unbesiegbar. Magie und Kraft, Wendigkeit und Intelligenz – wer sollte sich ihr in den Weg stellen? Katraana hasste den Dunkelelf. Dieser hatte seinen eigenen Vater getötet. So hatte man es ihr beigebracht. Noch nie war so etwas bei Elfen geschehen. Man fand die Leiche von Lord Raneweén in den Gärten der Verinnerlichung.
Die Seher vermuteten Schreckliches, schon seit vielen Jahren. Sie ahnten die Rache. Stets sagten sie, irgendwann würde Feiniel sich rächen. Der Tag käme … man müsse gewappnet sein.
Feiniel war geflüchtet und seine Schwester Gwenael hatte sich noch eine Weile um Katraana gekümmert. Die beiden waren Freundinnen geworden. Dieses Band hielt Katraana noch fest, obwohl es – wenn sie ehrlich war – ihr nicht mehr allzu viel bedeutete. Denn Gwenael war ihrem Bruder nach Unterwelt gefolgt. Welche Gründe sie dafür hatte, konnte Katraana nur vermuten. Möglicherweise Geschwisterliebe? Oder strebte auch sie nach dunkler Macht?
Stets, wenn sie mit Gwenael gesprochen hatte, hatte diese versucht, die Taten ihres Bruders zu beschönigen. Er sei ein guter junger Elf gewesen. Er sei nicht böse. Man habe ihn dazu gemacht.
Das alles wollte Katraana nicht wissen.
Der Dunkelelf zerstörte mit seinen düsteren Schwingungen das Elfental und würde selbiges mit dem gesamten Land machen. Er würde mit seinem Dämonenheer Mythenland unterjochen. Dem musste sie Einhalt gebieten. Dafür war sie trainiert worden. Das war ihre Aufgabe.
Sie seufzte und trocknete ihre Augen. Sie ärgerte sich über ihre Sentimentalität und tauschte das Gefühl gegen Zorn ein, den sie an der Leine hielt. Sie würde ihren Verstand benötigen. Denn noch wusste sie nicht, wie sie nach Unterwelt kommen sollte.
»Los geht’s«, flüsterte sie und Sternläufer reagierte sofort. »Dandoria wartet.«
Bald ließ sie das Tal hinter sich. Der leicht moderige Geruch verwehte. Er kam von den Gewässern im Elfental, die sich mit Algen füllten, von den toten Tieren, die im Gras verwesten und den verdorbenen Ernten westlich der Berge. Sie ritt durch eine Furt und Wasser spritzte hoch. Sie hob den Kopf gegen den frischen Wind. Drei bis vier Tage würde sie benötigen, bis sie in Dandoria war. Dort würde sie nach jemandem Ausschau halten, der ihr helfen konnte. Die Sicherheit, dort jemanden zu finden, gaben ihr die Weissagungen der Seher, doch auch sie selbst hatte ähnliche Visionen gehabt.
Sie hatte keine Ahnung, wer oder was ihr helfen würde, aber die Schwingungen wiesen auf den Mittelpunkt der Stadt. Irgendwo dort wartete die Antwort.
Sie ließ die Berge hinter sich und freute sich, als ihr Blick über weitgestreckte grüne Auen glitt. Eine weiche Landschaft, wie ein mit Moos bewachsener Teppich. Über ihr ein blauer Himmel, durchzogen von dicken weißen Spätsommerwolken.
Der Ritt fiel ihr leicht, sie konnte – wenn sie wollte – tagelang im Sattel verbringen. Sternläufer vermochte, ihre magischen Schwingungen aufzufangen und ritt wie auf Wolken. Wenn sie wollte, konnte sie ihn dazu bringen, doppelt so schnell zu laufen wie ein gewöhnliches
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