Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Rondrick aufnahm und ihn nun tatsächlich hoch hob. Der König von Dandoria versuchte, sich von innen gegen die erleuchteten Wände abzustützen, denn er fürchtete zu fallen. Seine Finger griffen durch das Licht, die Wände waren unspürbar und transparent. Wolken von Glühwürmchen tanzten um das Licht und bildeten eine Wolke aus leuchtendem Gleißen.
Egg und Jamus sprangen auf. Rondrick hörte nicht, was sie sagten, doch er sah sie gestikulieren. Wirkten sie ängstlich? Nein, sie wirkten wie ...
Ja, wie was eigentlich?
Er legte den Kopf zurück und schloss zufrieden seine Augen. Sollten die Steiner ihre Zeremonie ausüben, er würde schlafen, sich ausruhen. Es war weder warm noch kühl, alles um ihn herum war Mutterleib. Rondrick war das erste Mal in seinem Leben vollkommen glücklich. Hätte er Frieden und Harmonie definieren sollen, wäre seine Antwort gewesen:
Jetzt!
Er war schwerelos, seine Seele befreit von Gewicht, auch der Tod hätte ihn nicht schrecken können. Alles schwang im Gleichklang, ein mildes Ebenmaß, welches anmutig summte. Einzelne Gedanken versuchten ihn zu stören, Fragen, die er stellen wollte. Er hörte sich lachen. Fragen waren unwichtig. Es zählte nur die Gegenwart. Seine Haut kribbelte. Kitzelte ihn das Gespann von Sonnenstäubchen, der Feenwelt Entbinderin, wie ein großer Dichter es gesagt hatte? Würde er zur Welt kommen wie ein Kitz mit wackeligen Beinen und feinem Fell?
Bei den Göttern! Er phantasierte, währenddessen um ihn herum die Riesen tanzten und sich die Gesichter von Egg und Jamus verzerrten, zerliefen wie Wachs, bis nichts mehr da war, wie es in Träumen üblich ist. Talus hatte Recht behalten. Er, Rondrick, gehörte in dieses Tal. Kein Festbankett konnte solche Eindrücke vermitteln.
Er vernahm den Atem der Riesen und lauschte ihren Herzen. Erinnerungen, so weit wie das Land, Füllhörner des Wissens und weitgesteckte Mosaike einer großen Kultur. Er sah Wiesen und Wälder, Gebirge und Küsten und drang ein in die Höhlen der Artefakte, Kathedralen aus Stein, in denen Wächter seit Äonen unbeweglich, mit sich im reinen, die Vergangenheit bewahrten.
Noch nie hatte Rondrick einen derart angenehmen Traum gehabt. Er tauchte ein in Wärme, die ihn umschloss wie eine vornehm gewobene Decke. Irgendwo sang Mutter Xentilos, weit entfernt, dennoch drang ihre Stimme in sein Wesen. Das also hatte Talus ihm versprochen? Einen Traum, wie er ihn nie wieder träumen würde? Nun – das war es wert! Denn es führte Rondrick zu sich selbst, erinnerte ihn an sich und seine Wünsche und an das, was er so lange gesucht hatte.
Liebe!
Wie jeder Traum würde auch dieser enden. Doch wann? Rondrick träumte, dass er träumte und begriff im selben Moment, dass dies nicht so war. Was geschah, war existent. Er schwebte im Lichtkegel, die Riesen tanzten, stampften, sangen und Mutter Xentilos murmelte magische Sätze.
Nachdem die Sicherheit des Traums vergangen war, bekam Rondrick es mit der Angst zu tun. Etwas hatte sich verändert, aber er konnte nicht sagen, was. Er versuchte, ans ich hinab zu blicken, doch sein Kopf wollte und wollte sich nicht bewegen. Er fing an sich zu drehen, immer schneller. Erstaunlicherweise wurde ihm nicht schwindelig, denn die Lichthülle legte sich wie eine schützende zweite Haut um seinen Körper. Er wirbelte herum, nun auch in einem Tanz, den er nicht selbst bestimmte.
Und seine Angst verging.
»Nurrmar ollagorr drrrot!«, rief er in einer Sprache, die nicht seine war. Solange er denken konnte, redete er in der Hohen Sprache der Menschen. »Nurrmar korrrol drrrot!« Seine Lippen bewegten sich, aus seiner Kehle drangen dumpfe knurrende Laute. Alles um ihn herum verlor seine Konturen, er war Licht und das Licht war er.
Wurde so ein Gott geboren?
Erhielt er Antworten auf Fragen, die Menschen seit jeher stellten?
Zwei Gedanken, die genauso schnell verschwanden wie sie gekommen waren. In einer Korona aus Energie löste sich seine menschliche Gestalt auf, formte sich zu etwas Neuem. Er selbst bekam es nicht mit. Er schwebte, wirbelte, seufzte, reckte sich losgelöst von Zeit und Raum. Jegliches Geräusch war verstummt, wohin er zu blicken versuchte – er sah nichts anderes als irisierende Farben, die ihn streichelten, eine warme Anmutung hatten, ihn willkommen hießen.
Plötzlich blickte er in sein Gesicht und war erstaunt, was es dort zu lesen gab. Konnte es sein, dass noch ein Rest Zweifel an ihm nagte? Dachte er wirklich, er sei ein Mensch? Der
Weitere Kostenlose Bücher