Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
gedacht, doch der Stich, den ihm die Zweisamkeit der Anderen versetzt hatte, war schmerzhaft gewesen.
Er begriff, warum ihn die hübsche Zwergin abgelehnt hatte und wunderte sich, dass diese Erleuchtung so einfach kam. Er hätte eine Berühmtheit sein können, hätte in die Annalen von Gidweg eingehen können. Hätte er geschwiegen, vielleicht ein Geheimnis daraus gemacht. Sollten andere darüber reden, was er in den sieben Tagen und Nächten erlebt haben mochte. Sollten sie es ausschmücken, während er, der tapfere Frethmar Stonebrock geschwiegen hätte. Nichts wächst intensiver wie ein Geheimnis. Doch er hatte es mal wieder besser gewusst.
Er hatte seinen eigenen Mythos zerstört!
Er staunte, wie klar die Antwort vor ihm lag. Er hatte zu viel ausgeschmückt und seine Tapferkeit dadurch relativiert, indem er über die Ältesten höhnte. Er hatte sich wie ein x-beliebiger Aufschneider verhalten, ein Prahler vor den Göttern.
Ich habe meinen eigenen Mythos zerstört! Wie blöd kann man sein?
Er stieß sich von der Reling ab und drehte sich zum Heck. Der Wind fuhr in seine Haare und der Bart wehte über seine Schulter. Das tat gut. Das reinigte. Es schmeckte salzig auf seinen Lippen. Möwen kreisten über ihnen und wo diese waren, war Land nicht mehr weit.
War das der Sinn seiner Reise? Dass er Antworten fand? Dass er endlich erwachsen wurde?
Connor und Lysa traten zu ihm.
»Du siehst traurig aus«, sagte die Amazone.
»Können wir etwas für dich tun?«, fragte Connor.
Wir , dachte Frethmar. Er sagte wir . So schnell geht das?
Er grinste breit. »Nein, nein, alles ist in bester Ordnung.«
Connor zog die Augenbrauen zusammen. »Bist du dir sicher?«
Der Zwerg nickte. »Was sollte sein? Endlich mal keine Kämpfe und Gegner. Eine ruhige Reise, nicht wahr?« Er machte eine kleine Pause. »Ich muss mich um Dämonenbrecher kümmern. Muss mal wieder geschliffen werden.« Er nickte und ließ die Beiden stehen.
Connor glaubte Frethmar kein Wort. Er hatte den Zwerg erlebt und wusste, wann es ihm schlecht ging. Für einen Augenblick war ihm sogar gewesen, als hätte er Tränen in Frethmars Augen gesehen. Dem Hünen wurde das Herz schwer. Seitdem sie unterwegs waren, hatten sie es mit Leid und Kummer zu tun gehabt.
Das prägte.
Wie es ihn geprägt hatte.
Connor blickte übers Wasser und fragte sich, ob er Memorius noch einmal begegnen würde. Memorius war ihm in unterschiedlicher Gestalt erschienen. Mal als Kreatur mit Reißzähnen und einer Peitsche, dann als der, der er wirklich zu sein schien. Ein unauffälliger alter Weiser, ein Blinder Magister aus den Nordlanden. In der Vision hatte Memorius ihn Connor von Nordbarken, genannt. Er hatte von einer Frau gesprochen, die Connor unglücklich gemacht hatte. Von Xenua. Connor erinnerte sich an keine Xenua.
Doch er erinnerte sich an den Norden. An die Kälte und den Schnee. Und an brüllend heiße Sommer, die nur kurz währten.
Ich bin das, was du sehen willst, mein Junge! Ich zeige das, was in dir ist. Ich bin dein Spiegel!, hatte der Blinde Magister gesagt.
Und noch einen Satz, der Connor nicht aus dem Kopf ging. Der tausendfache Tod ist das tausendfache Leben ! Was hatte das zu bedeuten?
Memorius hatte darüber gesprochen, Connor würde seine wahre Bestimmung finden, wenn er seinen Zorn beherrsche. Dann, und nur dann, würde er noch eine gewichtige Rolle spielen. Am liebsten hätte Connor sich mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen, um die Teile seiner Erinnerungen zusammenzufügen. Sie sprangen in seinem Schädel umher wie aufgescheuchte Kaninchen. Nichts passte zusammen.
Er legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in die Sonne, als könne er dort die Antworten auf seine Fragen finden. Graue Wolken machten sich auf, den Herbst zu verkünden und versuchten, die Sonne zu verjagen, doch sie fraß sich stets hindurch. Sie war stark, stärker als das Grau. War es nicht immer so? fragte sich Connor. Letztendlich siegte das Licht!
Als wolle ihn das Wetter eines besseren belehren, bildete sich ein grauschwarzer Wolkenhaufen, der sich in Windeseile vor den glühenden Ball schob und die Temperatur innerhalb weniger Herzschläge sinken ließ. Noch zwei oder dreimal leuchtete weißes Licht, dann wurde das Meer grau.
Ein Schmerzblitz zog durch Connors Kopf. Er blickte weg und rieb sich die Schläfen. Hinter seinen Augen glimmerte die Sonne immer noch, als hätte sie sich festgebrannt. Er blinzelte und versuchte, das Bild
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