Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
Vom Netzwerk:
bist einer von Zwanzig!
    hatte der Käfer gesagt.
    Deine Seele muss geläutert werden, damit du begreifst, was geschah!
    Seitdem quälte der Käfer ihn. Auf einer Ebene lodernden Wahnsinns wusste Balger, dass der Käfer recht hatte. Balger hatte als Einziger das Grauen überlebt. Er hatte mit ansehen müssen, wie der sich schließende Tunnel im Fels den Gaul und seinen Reiter General Syndar zerquetscht hatte. Deren Köpfe starrten noch aus der geschlossenen Felswand und brüllten sich in den Tod. Balger hatte im Gras gelegen und den Himmel angelacht, denn er hatte überlebt.
    Und gebetet.
    Das erste Mal in seinem Leben. Es war ein phänomenaler Moment gewesen, er hatte eine Katharsis erlebt, die ihn jedoch nicht gereinigt hatte. Oder doch? Mit seinen Tränen war der Skarabäus in sein Gehirn gekrochen, eine Stimme, die ihn seither nicht mehr verlassen hatte.
    »Gebt mir, bitte«, sabbelte er und formte seine Hände. »Gebt mir, bitte.«
    »Geh nach Hause, Balger«, schnaufte ein Passant. »Geh auf deine Burg. Da hast du alles, was du benötigst.«
    »Er ist dreckig wie ein Schwein«, meinte eine junge Frau.
    »Er ist verrückt geworden. So etwas geschieht«, sagte ein Alter. »Seine Sünden haben ihm den Verstand geraubt.«
    Balger vermochte alle diese Worte nicht zu hören. Er war auf seine Art taub. Lediglich der Wille zu essen und zu trinken trieb ihn voran. Er musste in den Gassen von Dandoria überleben.
    Ist das dein neues Leben ?, zischelte der Käfer und kroch hinter seinem linken Auge zu seinem rechten. Dass du dich wie Dreck benimmst?
    »Ich bin – ich bin – Dreck«, gurgelte Balger. »Weil ich einer von Zwanzig bin.«
    Du hattest Glück, mein Freund.
    »Das Schicksal wollte es so. Ich hörte und sah sie sterben. Sie waren wie Teig. Den man aus einer Tube drückt. Es war grauenhaft. Warum – warum wurde ich verschont?«
    Frage dich, ob du wertvoll bist?
    »Nein, nein – das bin ich nicht. Ich war einer, der die Unseligen dazu brachte, Fragen zu beantworten, die sie nicht beantworten konnten. Ich war einer, der sich an den Toten bereicherte. Ich war – ich war – Dreck!«
    Dann füge dich und nutze deine Chance.
    »Nicht, solange du mich quälst. Solange du mir Schmerzen zufügst. Solange du mich beeinflusst.«
    Wer bin ich?
    »Du bist Skarabäus!« Das schrie er und der Händler, welcher dem armen Irren eine milde Spende geben wollte, schrak vor dem aufgerissenen Maul und den glühenden Augen zurück. »Du bist der Skarabäus!«
    »Liebe Güte, es scheint, als sei er gefährlich«, sagte eine Alte und kaute mit ihrem verbliebenen Zahn an der Unterlippe.
    »Unsinn«, sagte ein Greis, der sich auf einen Stock stützte. »Er muss etwas erlebt haben, dass seinen Geist durcheinander gebracht hat. Wir alle wissen, dass er ein grausamer Mann ist, doch nun ist er so gut wie ein Kind.«
    »Er? Ein Kind?«, krähte ein Weib. »Er hat meinen Mann auf den Scheiterhaufen gebracht. Es war nur eine Anschuldigung und wir konnten uns keinen Anwalt leisten. Er hat ihn verurteilt und die Krone hat unser Vermögen konfisziert. Er hat seinen Anteil erhalten. Er ist ein Monster. Man sollte ihn erschlagen wie einen Wurm.«
    Andere Passanten traten hinzu. »Ja, man sollte ihn erschlagen.«
    Ein Marktweib schwenkte einen Kohl. »Er führte meine beste Freundin unter den Galgen. Er hat sich immer jene ausgesucht, die am meisten Grund, Boden oder Gold besaßen. Dann hat er seine penible Aussprache gemacht.«
    »Penible Aussprache?«, fragte ein Junge.
    »So nennt man seine Befragung. Sie führt stets zum Erfolg und der Verdächtigte wird verurteilt. Die Krone nimmt den Verurteilten alles, was sie besitzen und Balger bekommt seinen Anteil.«
    »Nicht immer!«, ging ein junger Mann dazwischen. »Wenn der Angeklagte nicht verurteilt wird, nimmt sich die Krone ihren Teil vom Ankläger. Es gibt also immer ein gewisses Risiko für den Ankläger.«
    »Meister Schuster, gehe in dein Haus. Es nützt nichts, wenn du diesen Fettwanst verteidigst«, kreischte das Marktweib.
    »Sollen wir ihn einer peniblen Aussprache unterziehen? Eine penible Aussprache, wie das Volk es mag? Eine, bei der er spürt, wie es ist, wenn man nur noch Ja sagen kann?«, fragte ein angetrunkener Mann mit roter Nase und Lederwams. »Das wäre ein Spaß. Der große Balger muss uns Fragen beantworten.«
    »Ja!« riefen einige. »Das wäre was. Seitdem unser Barde mit dem Riesen in die Berge ging, ist es sowieso langweilig geworden. Binden wir Balger an die Statue.

Weitere Kostenlose Bücher