Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Wildes, aber auch den Respekt vor jenen, die seine Väter waren.
Als Agaldir sein siebtes Lebensjahr erreicht hatte, beschloss Kendrik, dass es Zeit war, in die Gemeinschaft der Halblinge zurückzukehren.
Alt und vom Einsiedlerleben gezeichnet, wanderte der Großvater mit seinem Enkel zu den Wan'girs - einem Stamm, der sich nördlich - an jener Stelle, an welcher der Fluss das Halblingland von Amazonien trennte - angesiedelt hatte.
Kendrik schwieg, im Gedenken an das stumme Wohl, das Earin so vielen in ihrem kurzen Leben geschenkt hatte, als man ihn nach seinem Namen und seiner Geschichte fragte. Großvater und Enkel legten ihren Stammesnamen ab und lebten fortan als Wan'girs weiter. Doch auch im Schutz einer Lüge wurde bald offenbar, dass Agaldir anders war als die anderen Halblingskinder.
Erst handelte es sich nur um kleine, unscheinbare Dinge, die wie von selbst ihren Platz verließen und in seiner Hand wieder auftauchten. Vorkommnisse, die kaum mehr als ein Schulterzucken oder Kopfschütteln hervorriefen.
Doch mit jedem Jahr, das Agaldir älter wurde, wuchs sein Talent und der Drang sich auszuprobieren. Was als kindliches Spiel begonnen hatte, wandelte sich in den Händen des Heranwachsenden zu einem Machtinstrument.
2. Kapitel
Ihr Name war Marielle, doch jeder rief sie kurz Mari. Sie wusste bis heute nicht, ob ihr diese Anrede gefiel, doch sie hatte sich daran gewöhnt.
Sie lebte in einem Haus in Dandoria, der Hafenstadt des Kontinents, den man ebenso nannte: Dandoria! Sie war in diesem Haus geboren worden, ihre Eltern waren verstorben und nun hütete sie dieses Haus für ihren Mann, den sie hasste und verachtete.
Sreidel war ein hartherziger Mann. Er verbrachte viele Tage mit seinen Saufkumpanen in den Schenken der Hafenstadt. Wenn Sreidel, meist spät in der Nacht, nach Hause kam, erwartete er Maris volle Aufmerksamkeit. War es ihr gelungen, sich in einen unruhigen Schlaf zu flüchten, riss er sie erbarmungslos aus diesem heraus. Jede noch so winzige Weigerung, die er witterte wie ein Raubtier seine Beute erspürte, konnte sein Missfallen erregen. Auch eine servile Haltung ihrerseits konnte seine Aggressionen bis zum Äußersten herausfordern.
Es war eine täglich neu inszenierte Orgie der Gewalt, die damit begann, daß er eine warme Mahlzeit forderte und sich nicht mit aufgewärmten Resten vom Tag davor zufrieden gab.
Am nächsten Tag entschuldigte er sich gestenreich, weinte und schwor Besserung. In den ersten Jahren ihrer Beziehung hatte Mari sich darauf eingelassen, hatte ihm verziehen, immer wieder. Jetzt wollte sie nicht mehr. Nun wusste sie, dass es auch anders gehen konnte, nein – musste! Sie verlor von Tag zu Tag mehr ihrer Würde und die blauen Flecken an ihren Armen und auf ihrer Schulter wiesen sie stets darauf hin, dass es Zeit war, sich von Sreidel zu befreien.
Sie ahnte, dass dies einige Anstrengungen bedeutete, denn Sreidel war nicht der Mann, der seine Frau hergab. Er würde alles tun, um sie zu halten.
Sie betrachtete sein schönes Gesicht, seine blonden Haare und wusste, dass sie ihn immer noch – unwichtig, was geschehen war – liebte. Dies war eine Liebe, die sich an der Vergangenheit orientierte. An einer Zeit, in der alles anders gewesen war, als Sreidel sie lieb gehabt hatte, als er weder trank noch anderen Vergnügungen nachging, die einer Ehe schaden konnten. Zwar sprach er hin und wieder über seine Verflossenen und merkte nicht, wie viele Schmerzen er ihr damit zufügte, doch das war nicht das Schlimmste.
Freunde hatten Mari gewarnt.
Dies sei kein Mann für sie. Viel zu schön, viel zu groß, einer, dem junge Mädchen schöne Augen machten. Mari wusste, dass Sreidel ein Taugenichts gewesen war, doch bei ihr würde alles anders werden.
Heute begriff sie: Sie hatte diesen schönen Mann retten wollen!
Dies war ihr nicht gelungen!
Alles wäre anders gewesen und vielleicht hätte sie den Mut für ihren Befreiungsschlag nie gefunden, wäre nicht der heutige Nachmittag gewesen.
Sie war zum Markt gegangen, als die Gardisten zwei Personen vor sich hertrieben, beide in Ketten, vermutlich auf dem Weg zur Burg. Angeführt wurde dieses Gespann von einem Halbling, den jeder in Dandoria kannte. Sein Name war Störmer und dieser hatte, nachdem König Rondrick verschwunden und seine Frau getötet wurde, die Macht übernommen.
Einer der Beiden war ein Zwerg, doch um den ging es nicht. Der Andere war ein großer breitschultriger Mann, der eine Lederweste
Weitere Kostenlose Bücher