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Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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dabei in seinen netzgewobenen Schuppen hängen bleibt.«
    Kendrik rang nach Luft. Die Hitze, das Rauchwerk, der unerträgliche Druck auf seiner Brust. Raus! Du musst hinaus und atmen!, schrie alles in ihm. Er war nicht gewillt, diesen Götterspruch anzunehmen. Nicht diesen.
    Er beugte sich vor, keuchte und hustete, während ihm die Tränen über die Wangen rannen. Er wusste, daß es falsch war, dass er auf den Weitblick der Aspekte vertrauen sollte, statt sich ihnen so engstirnig zu widersetzen.
    Aber sie waren Tiere!
    Gefangen in seiner Vision schluchzte er, schlug mit den Armen um sich, in dem Versuch die geisterhaften Bilder zu verwischen, sie fortzujagen. Doch Dunka und Tokk, Daschwa und Sogg, Zonday und Inuel standen ungerührt weiterhin im nebelerfüllten Tam, blickten aus ihren leeren Augen auf ihn hinab und warteten.
    »Nein! Nein, das lasse ich nicht zu!«, schrie der Älteste schließlich im Ringen mit sich selbst, riss die Augen auf, stieß die Schale aus ihrer Halterung, so daß sich Wasser und Ölessenz in das Feuer ergossen und krabbelte keuchend und auf allen Vieren zum Ausgang.
     
     
    »Du musst fort, Earin«, wiederholte ihr Vater, während er sie mit sich zum Strand zog - die eine Hand fest um ihren Arm gelegt, in der anderen ein rasch zusammengeklaubtes Reisebündel. »Fort aus dem Dorf, fort über das Meer, damit sie dich nicht erreichen können.«
    Und Earin wehrte sich nicht, fragte nicht. Eiligen Schrittes lief sie neben ihrem Vater her, einen Kiesel in der Faust umschlossen, den Blick auf das Meer gerichtet.
    Mit jedem Schritt, den sie den Fischerbooten näher kamen, schien der Himmel an Farbe zu verlieren. Wolkenwände zogen vom Horizont heran, türmten sich in Grau und Schwarz über dem Küstenstreifen auf. Donner grollte, während der Wind das Meer aufzuschaukeln begann.
    »Lasst sie! Lasst ihr ihre Unschuld!«, rief Kendrik in das Anschwellen des Sturms hinein. »Was soll ein Halbling in dieser Welt schon Großes bewirken?«
    Blitze durchzogen den Himmel wie leuchtende Adern, tauchten den kleinen Hafen in zitterndes Hell. Sand und Kies fegten in kleinen Wirbeln über den Boden, Holz knackte und knarzte, als der Wind an den Booten riss.
    Kendrik gab nicht auf.
    Wie von Sinnen zerrte er an dem Tau und versuchte, eine der kleinen Barken von ihrer Fesselung zu befreien. Mauern gleich, rollten derweil die Wellen heran, überschlugen sich schäumend und sogen auf ihrem Rückzug alles ins Meer, daß nicht tief im Erdreich verankert war.
    »Sie kommen«, hauchte Earin in das Lärmen hinein, nicht lauter als ein Flüstern und doch erreichte ihre Stimme den Vater. Ihre ersten Worte seit ungezählten Mondläufen, erfüllt von Sanftheit und Ruhe.
    Da verstand Kendrik. Schluchzend ließ er das Tau los, sackte auf die Knie und blickte schmerzzerrissen zu ihr auf. Aber Earin lächelte nur, legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel hinauf.
    Langsam, kaum merklich, lösten sich aus den Wolkentürmen Figuren - Bär und Habicht, Schlange und Seewolf, Samsam und Nackenhornhirsch - formten sich zu einer einzigen leuchtenden Gestalt, die ihre Arme nach ihr ausstreckte. Und Earin folgte dem Wink, hielt ihnen die Hand mit dem Kieselstein entgegen, als könnte dieser sie hinauf tragen. Und das tat er.
    Wie der Spross einer Pflanze, bohrten sich die Licht durchfluteten Spitzen durch die Oberfläche des steinernen Gefängnisses, brachen sich ihren Weg hinaus, reckten sich über einen Meter in die Höhe und entfalteten sich schließlich zu zwei mächtigen Schwingen, gefolgt von einem drachenhaften Körper.
    So fügt sich alles an seinen vorbestimmten Platz, dachte Earin, während sie hinauf in das Tosen getragen wurde, sich die Götter in einer mannigfaltigen Umarmung mit ihr vereinten und den Samen für ein ganz besonderes Kind in sie pflanzten.
     
     
    Keiner im Dorf hatte etwas von dem Erscheinen der Tieraspekte oder dem Sturm mitgekommen. Niemand fragte nach, was für einen Götterspruch Kendrik gehört hatte und niemand schien sich dran zu stören, dass Earin blieb. Denn fortan blieb sie im Dorf, saß unablässig am Webstuhl und fertigte Stoffbahn um Stoffbahn; so fein und kunstvoll in ihrem Muster, dass es selbst einem König zur Ehre gereicht hätte, sich daraus Kleider schneidern zu lassen.
    Und vielleicht hätte Kendrik tatsächlich glauben können, dass das Erlebnis am Meer nur eine weitere Traumvision gewesen war, wenn sechs Monde später nicht zu übersehen gewesen wäre, dass die Götter ihr

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