Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
und halblange Leinenhosen trug, die Füße in gut gearbeiteten Stiefeln. Die Sonne hatte sich auf seinen blonden, schulterlangen Haaren gespiegelt. In seinen Augen stand eine stumme Intelligenz, die Mari faszinierte. Sein Mund war sensibel und seine Hände hatten lange schmale Finger, was auf Sensibilität hinwies. Sie wusste nicht, wie sein Name war, aber sie verliebte sich auf der Stelle in ihn.
Am liebsten wäre sie zu ihm gelaufen, hätte ihn befreit, denn sie war sicher, dass jemand, der so viel Wärme ausstrahlte, ein wunderbarer Mensch war. Stattdessen starrte sie dem seltsamen Gespann und den Gardisten, welche die Beiden bewachten, mit offenem Mund hinterher.
Ihr Herz pochte schwer und ihre Beine zitterten. Sein Rücken war gerade, selbst unter Ketten beugte er sich nicht, sein Kopf war stolz erhoben. Was würde mit ihm geschehen? Würde man die Beiden hinrichten oder einsperren? Dann würde sie ihn nie wiedersehen. Niemals!
Dieser Gedanke war für Mari unerträglich.
Ihr war, als habe sich ein heiliger Funke in ihre Seele verirrt, als läge ein silbern schimmerndes Glitzerkleid über ihrer Haut. So etwas hatte sie noch nie erlebt, stets hatte sie sich an die wenigen Männer, die sie gekannt hatte, gewöhnen müssen, die Liebe, oder das, was sie dafür hielt, musste wachsen. Nur bei Sreidel war es gelungen. Und diese Liebe war noch immer da, aber nicht so tief, nicht so intensiv, nicht so freudig und hoffend, wie sie jetzt empfand.
Ein Schauder überlief sie und sie erkannte die Lust, die sie ergriffen hatte. Eine seltsame Mischung aus Begehren und Hoffnung. Liebe Güte, es war doch nur ein Blick gewesen und er hatte sie nicht angeschaut. Sie wusste – sie war eine schöne Frau. Sie hatte es oft genug gesagt bekommen.
Hochgewachsen, die glatten, halbblonden Haare schulterlang, das Gesicht ein wenig scharf gemeißelt mit Augen, die Männern ins Herz drangen, eine schmale, etwas zu lange Nase und Lippen, die zwar nicht sinnlich, jedoch verheißend wirkten. Ihr Körper war wohl geformt, glatte Haut, die Sreidel mit Samt verglich, und Proportionen, die sich sehen lassen konnten. Sie betonte dies nicht, sondern kleidete sich einfach, wie es sich in Dandoria gehörte. Nicht wenige Frauen musterten sie abwertend, mit Gesichtern, in denen sich Neid spiegelte. Wenn sie durch die Strassen und Gassen der Stadt schritt, den Einkaufskorb über dem Unterarm, konnte sie sich der Aufmerksamkeit vieler gewiss sein.
Doch dieser wunderschöne Hüne hatte sie nicht angeschaut.
Nicht einmal!
Eben dies war es, was ihn so reizvoll machte. Endlich würde sie sich um einen Mann bemühen müssen, anstatt von ihnen umschwärmt zu werden wie Bienen auf einem Kuchenstück.
Daran erinnerte sie sich, als sie sich trotzig die Tränen aus dem Gesicht wischte. Sreidel schlief seinen Rausch aus und nicht konnte ihn in diesem Stadium des Schlafes wecken. Das war gut und unterstützte ihren Plan.
Am Rande der Stadt lebte eine Frau, die man Vira nannte, eine Hexe. Manche Frauen wussten davon und niemand sagte etwas, denn Vira war jene Frau, die dafür sorgte, dass ungeborene Kinder nie das Licht der Welt sahen. Somit hatte sie stets ein Druckmittel in der Hand, sollte sich mal eine Dandorierin wagen, Klage zu erheben. Diese Hexe hatte Mari einen Trunk gebraut.
Und diesen Trunk, den sie in zwei Phiolen aufbewahrte, würde Mari Sreidel einflössen.
Sie staunte, dass ihre Finger nicht zitterten, wunderte sich, woher sie den Mut nahm. Gestern hatte er sie angebrüllt und mit der flachen Hand geschlagen. Sie war gegen Wände geprallt und einmal gegen die gusseiserne Kochstelle, wovon ihr Rücken schmerzte. Er hatte ausgespuckt und sie mit Schimpfworten belegt, schließlich war er auf die Schlafstatt gekippt und sein Schnarchen hatte Maris Schluchzen übertönt.
In derselben Nacht war sie zu Vira gegangen. Die hübsche junge Frau, welche selbst ein hartes Schicksal hinter sich hatte, musste nicht lange überredet werden.
»Er ist dir ein schlechter Mann?«, hatte sie gefragt.
»Ich liebe ihn«, hatte sie geantwortet.
»Wer liebt, möchte dem Anderen Gutes tun.«
»Das wollte ich stets. Ich war für ihn da, wenn er mich brauchte und er brauchte mich oft. Er hat eine verwirrte Seele.«
»Bist du für ihn der Mittelpunkt des Paradieses?«
»Nein ...«
»Was Prügel sind, weiß er, was Liebe ist, hat er noch nicht rausgefunden, sehe ich das richtig?«
»Das war nicht immer so ...«
»Wer Liebe ernten will, der muss Liebe säen. Da
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