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Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Unterwelt und niemand will dort hin. Dort hausen die Dämonen und die Wächter. Dort herrscht das Übel, alles Böse.«
    Feiniel hatte die Augen aufgerissen. Jetzt begriff er, warum man ihn mied. Sie fürchteten, er könne etwas mit der Sache zu tun haben, vielleicht ein Abgesandter des Bösen sein. Aber das war doch Unsinn! Liebe Güte – man kannte ihn schließlich. Er war ein harmloser Junge, der niemandem etwas zuleide tat. Er schrieb Gedichte und malte Aquarelle, deren Landschaften sich zu bewegen schienen, deren Bäume sich im Wind wiegten, dessen Wasser Wellen schlug. Er war einer der Ersten, der alle Rituale durchlief, ohne sich zu beschweren. Nie zuvor hatte er seinem Haus Schande bereitet. Bisher hatten seine Eltern ihn über alles geliebt. War dieser blöde Kasten ein Grund, sich von ihm abzuwenden?
    Elfen waren kluge Geschöpfe. Sie bildeten sich auf ihre Intelligenz viel ein. Warum verhielten sie sich ihm gegenüber so ... dumm?
    Gwenael, die früh über die Gabe des Gedankenlesens verfügte, strich ihm über die Wange, während süßer Wind ihr Haar bauschte. Seerosen öffneten ihre Blüten und auf dem Wasser des Teiches brachen sich Sonnenstrahlen, die wie glühende Finger durch die Äste der Bäume langten. Schmetterlinge flogen auf und ab, das weiche Gras umschmeichelte Feiniels Füße. Es lag Honigduft in der Luft und in der Ferne erklang Flötenspiel. Licht und Schatten spielten im Blätterdach über ihnen Fangen. In der Nähe plätscherte eine Quelle. Blüten reckten sich in den Halbschatten und Gräserduft wurde von einer weichen Brise zu ihnen getragen.
    Im Hintergrund ragte der weiße Palast des Hauses Ranéwén auf, ein wunderschönes Gebäude, mit Balkonen, goldgeschmückten Fenstern und weichgeschwungenen Zinnen. Rotglühende Kletterrosen schlängelten sich über das Tor den Marmor empor.
    »Warum hasst man mich?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte.
    »Es ist das Unbekannte, das sie fürchten.«
    »Aber es ist doch nur ein Kasten.«
    »Nein, Feiniel. Es ist der Schlüssel zum Tor nach Unterwelt.«
    »Woher wollt ihr das wissen?«, begehrte Feiniel auf.
    »Wir wissen es.«
    »Pah – Unsinn!« Er sprang auf. »Hing etwa ein Schild daran? Gibt es eine Gebrauchsanweisung? Ein Schlüssel ... dass ich nicht lache. Ich wette, man kann ohne diesen Kasten nach Unterwelt gehen.«
    »Das mag sein, aber niemand kennt den Eingang.«
    »Dann gibt es Unterwelt vielleicht gar nicht ...«
    »Pssst!« Gwenael legte ihren Zeigefinger auf die Lippen. »Versündige dich nicht!«
    »Versündigen? Ist es Sünde, wenn ich Fragen stelle?«
    »Frage nicht nach Dingen, die dir, wenn du sie erfährst, weh tun können.«
    »Das ist Feigheit!«
    »So kannst du reden, weil du noch sehr jung bist. Ein kleiner Junge.«
    »Du bist nicht viel älter ...«
    »Immerhin dreiundfünfzig Jahre, Bruder.«
    »Was ist das schon? Auch du bist noch ein Kind.«
    »Um es noch einmal zu sagen: Wenn dein Vater sagt, das Artefakt sei von den Wächtern, dann ist es so. Er ist ein kluger Lord. Er hat Kenntnisse von Dingen, die sich uns verschließen.«
    »Das mag sein. Doch ich frage mich, warum er, wenn er so weise ist, mich, seinen Sohn von sich wegstößt.«
    »Klugheit und Weisheit sind ganz unterschiedliche Dinge, Feiniel.«
    »Soll ich jetzt die Jahre bis zur Mannbarkeit einsam und gefürchtet sein?«
    »Das Gras wird sich legen, lieber Bruder.«
    »Und wenn nicht?«
    »Es wird!«
     
     
     
    Gwenael hatte Unrecht. Es wurde unerträglich. Es war, als hätte Feiniel sich schwer versündigt. Er war ein Ausgestoßener und wenn sie in der Familie die Malzeiten einnahmen, waren die Gespräche gezwungen und oberflächlich. In Feiniel kochte der Zorn, schließlich war es sein Vater gewesen – oder seine Mutter? – deren Indiskretion dazu geführt hatte, dass man Feiniel mied. Er war von seinen Eltern verraten worden. Gab es etwas Schlimmeres für einen Sohn? Dennoch hatte er bis heute Stärke bewiesen. Er war der Erbe des Hauses Ranéwén. Dafür lohnte es sich, abzuwarten.
    Also übte der junge Elf sich in Geduld. Er versuchte, schräge Blicke von sich abgleiten zu lassen. Er versuchte, nach wie vor ein brillanter Schüler zu sein. Er versuchte, seine Welt, wie sie war, als normal anzuerkennen. Auch ein Tier, welches man eingesperrt hatte, musste seinen Zustand früher oder später akzeptieren. Oder es wurde wahnsinnig.
    Sie saßen gemeinsam am Familientisch. Elfen aßen gerne zusammen. Dabei redeten sie über dies und das und

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