Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Arbeit erkennen, wann die Hütte fertig sein wird. Dann möchte sie diese blöden Gedanken aus ihrem Kopf vertreiben und genauso sein wie alle anderen.
Doch das gelingt nicht.
Oft schämt sie sich, wenn andere Dörfler Dinge reden, die sie … wunderlich und falsch findet. Dann möchte sie den Mund aufmachen und das korrigieren. Manchmal tut sie es auch und erntet bitterböse Blicke.
Binko kommt ihr entgegen. Er hat seit zwei Zyklen die Wackelzeit hinter sich. Er begrüßt sie freundlich. »Hallo, Häuptlingstochter! Auch viel Laufen nützt nichts gegen Beinwackeln. Du brauchst nur noch einen Zyklus warten, dann ist es vorbei. Dann passt dein Oberkörper zu deinen Beinen.« Dabei grinst er frech. Anfang fand Bluma sein Verhalten unverschämt, denn er sieht sie nicht an, sondern in sie hinein, was ganz schön unruhig machen kann.
Das hat sich kürzlich geändert, denn sie lernte ihn besser kennen. Nun genießt sie seine Dreistigkeiten. Auf gewisse Art ist er ihr ähnlich. Man sieht, dass es hinter seiner Stirn arbeitet. Wenn sie miteinander sprechen, belauern sie sich und es wirkt wie ein kleiner Wettkampf, wenn sie Sätze und Argumente austauschen. Auch in seinem Kopf gibt es diese Eigenart, die Bluma so zu schaffen macht.
Einmal, er schaute sehnsüchtig über das Meer, fragte sie ihn: »Werden wir die erste Generation sein, die sich aus dem Dorfverband löst?«
Er sah sie von der Seite an. »Du meinst, ob wir Fuure verlassen?«
Sie nickte still.
Er zuckte mit den Achseln. Dann sagte er: »Wir könnten einen Händler fragen, ob er uns nach Dandoria mitnimmt. Nur für eine gewisse Weile. Wir schauen uns alles an und kehren zurück. Dann werden wir vieles zu erzählen haben.«
Bluma durchfuhr es heiß. Er hatte ausgesprochen, was sie dachte. Sie zog den Kopf zwischen die Schultern, als fühle sie sich belauscht.
»Was werden deine Eltern dazu sagen?«, wisperte sie.
»Was werden deine Eltern sagen? Du bist jünger als ich und die Häuptlingstochter. Du bist noch ein Kind.«
»Nur körperlich, das weißt du.«
Er lachte leise. »Ja, Bluma, ich weiß das.«
Er tastete nach ihrer Hand und sie ließ es zu. Bei den Göttern, würde ihr Bobba das sehen, er würde schreien und brüllen und Momma würde weinen. Sie sei noch viel zu jung, würden sie schimpfen, womit sie eigentlich auch recht hatten. Doch es war ja nur ein Handtätscheln, mehr nicht und ganz harmlos. Es tat wohl und schenkte ein intensives Gefühl. Sie wurde rot und traute sich nicht, Binko anzusehen. Ihm schien es nicht anders zu gehen, denn er streckte das Kinn nach vorne und schwieg.
Sie saßen nebeneinander und träumten.
Nun, als sie ihm begegnet, haben sie einen Plan. In drei Nächten wird ein Händlerschiff anlanden. Sie werden sich an Bord schleichen und heimlich mitfahren. Beide haben einen Brief vorbereitet, den sie auf dandorianisches Papier geschrieben haben. Einen Brief, der ihren Eltern alles erklärt und in dem sie zusichern, mit dem nächsten Schiff zurückzukehren. Es handelt sich nur um einen oder zwei Monde, dann sind sie wieder auf Fuure.
Bluma kann kaum noch schlafen, so aufgeregt ist sie. Bald sieht sie etwas von Mythenland, dass noch kein Barb zuvor sah. Sie wird ein Abenteuer erleben. Sie wird Dinge… erfahren! Lernen! Das wird sie zu den Barbs tragen. Doch wollen die Dörfler das überhaupt? Unwichtig – sie will es!
Die Zeit zieht sich.
Sie und Binko gehen zu den Hügeln. Sie blicken aufs Meer und warten auf das Schiff. Sie zittern vor Erregung – und Angst. Was sie vorhaben, erfordert Mut. Sie sind noch Kinder.
Doch das Schiff kommt nicht. Heute nicht, also morgen.
In der folgenden Nacht träumt Bluma von der weiten Welt. Sie möchten mit Elfen reden und mehr über deren Kultur erfahren. Sie möchte mit allen Rassen diskutieren und mit Weisen und möchte Magiern begegnen und Händlern und…
Sie erwacht aus ihrem Halbtraum. Nebenan schnarchen Bobba und Momma. Bluma zittert. Ist es richtig, was sie plant? Ist sie nicht tatsächlich noch zu jung für eine Reise nach Dandoria? Andererseits ist Binko ein verlässlicher Barb. Ein guter Barb. Er wird sie beschützen. Wenn die Sonne aufgeht, wird das Schiff kommen. Sie starrt zur Höhlendecke hoch und wartet auf den Schlaf.
Rufe wecken sie.
Das Schiff! Endlich ist es da!
In Windeseile ist sie auf dem Dorfplatz. Die Sonne schiebt sich hinter grauen Wolken hervor. Sie rennt den Hügel hoch. Tatsächlich, ein wunderschöner Segler nähert sich. Wo ist Binko? Er wird
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