Im Schatten der Erdmagie
aber es wurde nur eine verzerrte Grimasse daraus.
„ Also gut, Professor Brook: Sie klingen ja gerade so, als befürchteten sie so eine Art Aufstand jenes Volkes aus der Tiefe? Aber wieso ausgerechnet zum heutigen Zeitpunkt? Wenn es früher mal passiert wäre, wüßte man das sicherlich, und es würden sich Angaben darüber nicht nur in Geheimschriften oder ähnlichem finden.”
Er nickte heftig und sagte bitter: „Nennen Sie es Intuition! Ich weiß, das klingt reichlich unwissenschaftlich, aber unwissenschaftlich klingt sowieso alles in diesem Zusammenhang, nicht wahr? Also sollten wir uns damit keine Probleme mehr machen. Wie heißt es so schön: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich weiter ungeniert! Es trifft auf vieles zu, auch auf meine eigene Situation.”
„ Es beantwortet nicht meine Frage”, erinnerte ihn Ellen ungeniert.
Er schaute sie überrascht an.
„ In der Tat, das tut es nicht. Ich neige anscheinend in letzter Zeit verstärkt zu Attacken von Selbstmitleid... Also gut, junge Dame: Es gibt zwar in den von mir bisher gefundenen Schriften keine Zeitangaben, aber es ist klar, daß es irgendwann so weit kommen wird. Der Schrecken wird aus der Tiefe aufsteigen. Dabei spüre ich deutlich, daß es nicht mehr lange dauern wird – wie auch immer.”
„ Es ist nach wie vor keine Antwort auf meine Frage!” beharrte Ellen.
„ Würde ich die richtige Antwort kennen, hätten wir vielleicht eine Chance, der drohenden Katastrophe zu entgehen. Aber ich bin mit meinen Forschungen leider noch lange nicht weit genug vorgedrungen.”
„ Vielleicht wegen einem falschen Ansatz? Mit Verlaub, Professor Brook, ich studiere noch nicht einmal in Ihrem Fachbereich, aber ich bin eine aufmerksame Zuhörerin, das kann ich Ihnen versichern...”
„ Was wollen Sie mir damit eigentlich sagen?” erkundigte sich Brook mißtrauisch.
„ Nun, vielleicht ist der Mensch dabei, seine Lebensgrundlage systematisch zu zerstören – und vielleicht beginnt die Erde selbst, sich dagegen zur Wehr zu setzen?”
„ Die Erde selbst?” Er lauschte den eigenen Worten nach. „Das Volk der Tiefe... Die Hölle... Schwarze Gedanken, die in den Mythologien und Religionen der Welt leibhaftig werden...” Er schüttelte plötzlich den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, daß es da einen Zusammenhang gibt. Das Volk der Tiefe ist etwas Eigenständiges. Das ist etwas, was es ansonsten in keiner Mythologie gibt. Zumindest in keiner offiziellen!”
Genau das ist es ja eben! dachte Ellen im stillen, aber sie hütete sich, es laut auszusprechen. Sie hatte gehofft, Professor Brook hätte ein offenes Ohr für das Thema, aber er war anscheinend so verbissen, daß er nicht mehr in der Lage war, anders als in den gewohnten Bahnen zu denken. Er hatte sich in diese geheimen Andeutungen so sehr hinein gesteigert, daß er alternative Erklärungen nicht mehr zulassen konnte. Vor allem nicht von einem Laien wie Ellen einer war.
Ellen versprach sich dennoch selber, am Ball zu bleiben. Über diese bisher letzte Vorlesung hinausgehend jedenfalls. Anders als sie es sich ursprünglich vorgenommen hatte.
Sie wollte sich gerade verabschieden von dem Professor, um Peter nicht doch noch länger warten zu lassen, aber da waren plötzlich Schritte vom Flur her zu hören. Es mußte eine Frau sein, die sich auf Schuhen mit hohen, harten Absätzen dem Hörsaal näherte. Wenig später trat tatsächlich eine Frau in den Dreißigern ein, deren graues Kostüm gleich klarmachte, daß sie keine Studentin sein konnte.
Ellen kannte sie.
Die Frau im Kostüm arbeitete in der Verwaltung, wo Ellen ihre Unterlagen eingereicht und sich ihren Gasthörerschein für die Vorlesungen von Professor Brook besorgt hatte.
Neugierig blieb Ellen stehen und vergaß, sich von dem Professor zu verabschieden.
„ Professor Brook!” rief die Verwaltungsangestellte.
„ Ja, was gibt es denn?”
„ Da ist ein Anruf für Sie!”
Sie hob die Hand, in der sie einen portablen Telefonhörer hielt. „Ein gewisser Mr. Hudson will Sie sprechen!”
„ Geben Sie her!”
Brook riß ihr förmlich den Hörer aus der Hand.
„ Hudson? Sie haben was für mich?” Anschließend sagte er nach einer kurzen Pause: „Ja, ich komme sofort. In zwanzig Minuten bin ich bei Ihnen!” Er beendete das Gespräch und gab der Verwaltungsangestellten den Hörer zurück. „Ich danke Ihnen.”
„ Sie sollten sich ein Handy anschaffen, Herr Professor!”
„ Ich habe ein Handy, aber während der Vorlesung hatte
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