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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Herbert gegolten. Jetzt traf ihn die Wirklichkeit wie ein schmerzhafter Schock. Hester hatte sie gekannt, vielleicht sogar gern gehabt. Mit erschreckender Klarheit sah er noch einmal, wie sehr sie Hester geähnelt haben mußte. Mit einemmal fröstelte ihn.
    Monk sah ihm den Schreck an. Zu Rathbones Überraschung folgte jedoch keine der ironischen Bemerkungen, die er erwartet hätte, statt dessen sah er den Schmerz des anderen.
    »Haben Sie sie denn gekannt?« fragte er, noch bevor sein Verstand die Worte zu zensieren vermochte. Selbstverständlich hatte Monk sie nicht gekannt! Wie sollte er?
    »Nein«, antwortete Monk ruhig, und sein Schmerz war ihm anzuhören. »Aber ich habe eine ganze Menge über sie erfahren.« Seine grauen Augen wurden hart, kalt und unversöhnlich. »Und ich habe die Absicht, den Richtigen dafür hängen zu sehen.« Dann hatte er mit einemmal wieder das unbarmherzige, bittere Lächeln auf den Lippen. »Und nicht nur, um einen Justizirrtum zu vermeiden. Den ich natürlich auch nicht will. Ich möchte Stanhope nicht freigesprochen sehen, ohne dafür einen anderen zu haben. Ich werde nicht zulassen, daß dieser Fall ungelöst bleibt.«
    Rathbone musterte ihn eingehender. »Was haben Sie denn über sie erfahren, was Sie derart tief bewegt?«
    »Mut«, antwortete Monk. »Intelligenz, die Entschlossenheit, etwas zu lernen, der Wille einzutreten für das, woran sie glaubte und was sie wollte. Sie sorgte sich um ihre Mitmenschen, sie war immer geradeheraus und kannte keine Heuchelei.«
    Rathbone hatte plötzlich die Vision einer Frau, die Monk gar nicht so unähnlich war: in mancher Hinsicht merkwürdig komplex, in manch anderer auffallend einfach. So erstaunte es ihn auch nicht weiter, daß Monk ihr Tod derart nahe ging, ja noch nicht einmal, daß er den Verlust so persönlich nahm.
    »Hört sich nach einer Frau an, die zu einer tiefen Liebe fähig gewesen sein könnte«, sagte Rathbone mild. »Ganz und gar nicht nach einer, die eine Abfuhr ohne Kampf hingenommen hätte.«
    Monk schürzte die Lippen, in seinem zweifelnden Blick spiegelten sich Widerwille und Zorn. »Aber auch keine, die ihr Heil in Bettelei oder Erpressung sucht«, sagte er, sein Tonfall freilich eher gequält als überzeugt.
    Rathbone stand auf. »Sollte es da eine Geschichte geben, die wir noch nicht kennen, finden Sie sie heraus. Tun Sie, was auch immer nötig ist, um weitere Motive aufzudecken. Irgend jemand muß sie schließlich umgebracht haben.«
    Monks Gesicht wurde hart und entschlossen. »Das werde ich«, versprach er, weniger Rathbone als sich selbst. Er setzte ein saures Lächeln auf. »Ich nehme an, Sir Herbert übernimmt die Rechnung?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Rathbone. »Wenn wir nur jemanden mit einem triftigen Motiv ausgraben könnten! Sie ist nicht ohne Grund umgebracht worden, Monk.« Er verstummte.
    »Wo arbeitet eigentlich Hester im Augenblick?«
    Monk lächelte, und diesmal reichte seine Belustigung bis in die Augen. »Im Königlichen Armenspital.«
    »Was?« Rathbone konnte es nicht glauben. »In einem Krankenhaus? Aber ich dachte, sie…« Wieder verstummte er. Es ging Monk schließlich nichts an, daß man Hester bereits einmal entlassen hatte, obwohl er es natürlich wußte. Diese Gedanken, die Belustigung, der Zorn und das instinktive Bedürfnis, sich wider Willen zu verteidigen, all das war Rathbone von den Augen abzulesen, als er Monk anstarrte.
    Es gab Augenblicke, in denen Rathbone sich Monk außerordentlich nahe fühlte, in denen er ihn gern hatte und zugleich verabscheute entsprechend der beiden zerstrittenen Seiten seines Naturells. »Ich verstehe«, sagte er. »Nun, ich nehme an, es könnte sich als nützlich erweisen. Halten Sie mich bitte auf dem laufenden.«
    »Selbstverständlich«, meinte Monk nüchtern. »Guten Tag.« Rathbone zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß er Hester einen Besuch abstatten würde. Er versuchte es sich auszureden, überlegte sich das Für und Wider eines solchen Schritts, aber das war nur sein Verstand – seine Füße trugen ihn längst Richtung Krankenhaus. Sie würde nicht einfach zu finden sein, sicher arbeitete sie. Es war durchaus möglich, daß sie über den Mord gar nichts wußte. Aber sie hatte Prudence Barrymore gekannt. Vielleicht sogar Sir Herbert. Er konnte es sich nicht leisten, ihre Meinung außer acht zu lassen. Er konnte es sich schwerlich leisten, auch nur irgend etwas außer acht zu lassen.
    Das Krankenhaus selbst mißfiel ihm. Allein

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