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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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ausgezeichneten Zähne zeigte. Er sagte nichts.
    Lovat-Smith war kurz verunsichert, aber nur ein Experte hätte es sehen können. Dann hatte er seine Fassung wiedererlangt, und er war wieder die Ruhe selbst. »Mag sein, daß die Kasse stimmt, aber Ihrem Ruf wird es sicher nicht guttun«, sagte er mit ruhiger Gewißheit. »Wissen Sie, mit solchen Geschichten kommt man kaum zu einem Adelstitel!«
    Rathbone lächelte etwas breiter, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er fürchtete, daß Lovat-Smith da recht haben könnte.
    Die Aussagen des Nachmittags waren in vieler Hinsicht vorauszusehen gewesen, und dennoch hinterließen sie in Rathbone eine Unzufriedenheit, von der er noch am selben Abend bei einem Besuch in Primrose Hill seinem Vater erzählte.
    Henry Rathbone war ein großer, ziemlich gebeugter Gelehrter mit sanften blauen Augen, hinter deren Freundlichkeit sich ein scharfer Verstand und ein großartiger, wenn auch gelegentlich launischer und respektloser Humor verbarg. Olivers Liebe zu ihm war tiefer als er je zugegeben hätte, auch vor sich selbst. Die gelegentlichen stillen Abendessen waren Oasen tiefer Freude in einem vom Ehrgeiz getriebenen und über die Maßen geschäftigen Leben.
    Diesmal machte er sich Sorgen, was Henry Rathbone sofort bemerkte, obwohl er das Gespräch mit den üblichen Banalitäten wie dem Wetter, Rosen und Kricket eröffnet hatte.
    Im letzten Licht des Tages saßen sie über einem exzellenten Abendessen aus Krustenbrot, Pastete und französischem Käse. Nachdem sie eine Flasche Rotwein geleert hatten, fragte Henry Rathbone schließlich: »Ist dir ein taktischer Fehler unterlaufen?«
    »Wie kommst du denn darauf?« Oliver sah ihn nervös an.
    »Du bist in Gedanken ganz woanders«, antwortete Henry.
    »Wäre es etwas gewesen, was du vorausgesehen hättest, dann würde es dich nicht noch immer beschäftigen.«
    »Ich weiß nicht so recht«, gestand Oliver. »Um ehrlich zu sein, ich weiß noch nicht einmal, wie ich diese Geschichte überhaupt angehen soll.«
    Henry wartete.
    Oliver umriß den Fall, soweit er ihm bekannt war. Henry, in seinen Sessel gelehnt, die Beine bequem übereinandergeschlagen, hörte ihm schweigend zu.
    »Was habt ihr bisher an Zeugenaussagen gehört?« fragte er, als Oliver schließlich zum Ende kam.
    »Nur solche zum Sachverhalt. Callandra Daviot berichtete, wie sie die Leiche fand. Die Polizei und der Gerichtsmediziner gaben die Fakten zu Tatzeit und Todesursache zu Protokoll. Nichts Neues, nichts Beunruhigendes. Lovat-Smith versuchte soviel Wirkung und Mitgefühl wie möglich herauszuschlagen, aber das war zu erwarten.«
    Henry nickte.
    »Ich nehme an, es war heute nachmittag«, sagte Oliver nachdenklich. »Die erste Zeugin nach der Mittagspause war die Oberschwester des Krankenhauses – eine verkrampfte, selbstherrliche kleine Frau, die es offensichtlich als Zumutung empfand, vorgeladen zu werden. Sie ließ keinen Zweifel daran, was sie von ›feinen Damen‹ im Schwesternkittel hält. Noch nicht einmal ihr Einsatz auf der Krim findet Gnade vor ihren Augen. Ganz im Gegenteil: sie sieht dadurch nur ihren Einflußbereich bedroht.«
    »Und die Geschworenen?« fragte Henry.
    Oliver lächelte. »Die mochten sie nicht«, sagte er kurz und bündig. »Sie zweifelte an Prudence’ Fähigkeiten. Lovat-Smith gab sich alle Mühe, ihr den Mund zu stopfen, aber sie hinterließ trotzdem einen negativen Eindruck.«
    »Aber…«, drängte ihn Henry.
    Oliver stieß ein scharfes Lachen aus. »Aber sie schwor, Prudence sei hinter Sir Herbert her gewesen. Sie habe ständig darum gebeten, mit ihm arbeiten zu dürfen und weit mehr Zeit mit ihm verbracht als irgendeine der anderen Schwestern. Allerdings gab sie widerstrebend zu, daß sie ihre beste Schwester gewesen sei und Sir Herbert immer nach ihr gefragt hätte.«
    »Was du sicher alles vorhergesehen hast.« Henry sah ihn aufmerksam an. »Es scheint mir kaum eine ausreichende Erklärung für deinen jetzigen Zustand.«
    Gedankenverloren saß Oliver da. Der Wind des frühen Abends trug den Duft des spät blühenden Geißblatts durch die offenen Verandatüren, und ein Schwärm Stare bewölkte den blassen Himmel, bevor er auseinanderstob und sich irgendwo jenseits des Obstgartens niederließ.
    »Hast du denn Angst, zu verlieren?« brach Henry das Schweigen. »Es wäre nicht das erste Mal – und du wirst noch öfter verlieren, es sei denn, du übernimmst nur Fälle, die lediglich eines Dirigenten bedürfen.«
    »Nein, natürlich

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