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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bekommen. »Jetzt scheint der Gedanke so töricht, nicht wahr? Es scheint gerade so, als hätte genau das zu ihrem Tod geführt! Tut mir leid, es fällt mir sehr schwer, meiner Gefühle Herr zu werden!« Sie warf Sir Herbert einen durch und durch haßerfüllten Blick zu, worauf dieser zum erstenmal betroffen zu sein schien. Er stand auf und beugte sich vor, aber noch bevor er etwas tun konnte, griff einer der beiden Gefängniswärter nach ihm und zog ihn zurück auf die Bank.
    Das Publikum hielt geschlossen den Atem an und seufzte dann. Einer der Geschworenen sagte etwas Hörbares. Richter Hardie öffnete den Mund, überlegte es sich dann jedoch anders und schwieg. Rathbone dachte schon daran, Einspruch zu erheben, entschied sich aber dagegen. Es hätte die Geschworenen nur noch mehr befremdet.
    »Da Sie sie so gut gekannt haben, Mrs. Barrymore«, Lovat-Smith sagte das zartfühlend, seine Stimme fast eine Liebkosung, und Rathbone spürte die Zuversicht des Mannes wie eine warme Decke auf seiner Haut, »fällt es Ihnen schwer zu glauben, daß Prudence in Sir Herbert Stanhope endlich einen Mann gefunden hatte, den sie mit ihrem ganzen idealistischen Herzen lieben und verehren und dem sie sich völlig hingeben konnte?«
    »Ganz und gar nicht«, antwortete Mrs. Barrymore, ohne zu zögern. »Er war der Mann ihrer Träume. Sie muß ihn für edel, engagiert und brillant gehalten haben, womit er alles war, was sie von ganzem Herzen lieben konnte.« Schließlich ließen sich die Tränen nicht mehr länger zurückhalten, und sie nahm die Hände vors Gesicht und weinte lautlos.
    Lovat-Smith trat vor, um ihr sein Taschentuch zu reichen.
    Sie griff danach, ohne hinzusehen. Diesmal war selbst Lovat-Smith um Worte verlegen. Es gab nichts zu sagen, was nicht entweder banal oder unangebracht gewesen wäre. Er nickte etwas verlegen, wußte, daß sie ihn nicht ansah, und kehrte wieder auf seinen Platz zurück, wo er mit einer Handbewegung andeutete, daß nun Rathbone an der Reihe sei.
    Rathbone erhob sich, und als er die Saalmitte durchquerte, wußte er, daß sämtliche Augen auf ihm ruhten. Er konnte in den nächsten Minuten alles gewinnen oder alles verlieren.
    Außer Mrs. Barrymores leisem Weinen war nichts zu hören. Rathbone wartete. Er unterbrach sie nicht. Das Risiko war zu groß. Zwar mochte man ihm das als Sympathie für sie auslegen, aber hätte er sich anders verhalten, hätte man ihm womöglich eine unschickliche Hast vorgeworfen.
    Schließlich schneuzte Mrs. Barrymore sich geziert, ein ebenso verhaltener wie vornehmer und dennoch bemerkenswert effizienter Akt. Als sie aufblickte, waren zwar ihre Augen rot, aber sie schien wieder gefaßt.
    »Tut mir wirklich leid«, sagte sie leise. »Ich fürchte, ich bin nicht so stark, wie ich dachte.« Ihr Blick wanderte für einen Moment nach oben, wo er auf der anderen Seite des Saals voller Abscheu auf Sir Herbert liegen blieb.
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Madam«, versicherte ihr Rathbone leise, aber so deutlich, daß es noch in der letzten Reihe zu hören war. »Ich bin sicher, jeder hier versteht Ihren Kummer und fühlt mit Ihnen.« Er konnte nichts tun, um ihren Haß zu besänftigen. So war es besser, ihn zu ignorieren.
    «Ich danke Ihnen«, sagte sie mit einem leisen Schniefen.
    »Mrs. Barrymore«, begann er mit dem Anflug eines Lächelns.
    »Ich habe nur einige wenige Fragen an Sie, und ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. Wie Mr. Lovat-Smith bereits angedeutet hat, kannten Sie Ihre Tochter natürlich, wie das nur einer Mutter möglich ist. Sie wußten um ihre Liebe zur Medizin ebenso wie um ihre Sorge um Kranke und Verletzte.« Er steckte die Hände in die Taschen und blickte zu ihr hinauf. »Konnten Sie so ohne weiteres glauben, daß sie selbst Operationen durchführte?«
    Philomena Barrymore legte die Stirn in Falten und konzentrierte sich auf etwas, was sie offensichtlich nicht recht verstand. »Nein, ich fürchte, das fiel mir schwer. Es ist etwas, was mich immer vor ein Rätsel gestellt hat.«
    »Halten Sie es für möglich, daß sie ihre eigene Rolle ein klein wenig übertrieben hat, um – sagen wir einmal – ihrem Ideal näherzukommen? Oder um Sir Herbert nützlicher zu sein?«
    Ihr Gesicht hellte sich auf. »Ja – ja, das würde es erklären. Es ist ja wohl keine naturgegebene Beschäftigung für eine Frau, nicht wahr? Aber Liebe ist etwas, was ein jeder von uns leicht versteht!«
    »Natürlich«, pflichtete Rathbone ihr bei, obwohl er zunehmend

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